18. Mai, 2025

Military

Kommt jetzt die Schuldenunion durch die NATO-Hintertür?

Der Ruf nach fünf Prozent BIP für Verteidigung bringt Europas finanzpolitisches Gleichgewicht ins Wanken. Warum der Vorstoß aus Berlin eine Zeitenwende auslösen könnte – und wieso Eurobonds plötzlich wieder auf dem Tisch liegen.

Kommt jetzt die Schuldenunion durch die NATO-Hintertür?
Die aktuelle Verteidigungsausgabe Deutschlands liegt bei etwa 2,1 % des BIP. Die neue Forderung aus Washington stellt die Haushaltspolitik vor ein historisches Dilemma.

US-Präsident Donald Trump macht Druck: Wer beim NATO-Gipfel in Den Haag keine fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung in Aussicht stellt, braucht gar nicht erst aufzutauchen.

So berichten es Diplomaten. Was wie eine Drohkulisse klingt, wirkt. Der deutsche Außenminister Johann Wadephul (CDU) stellt sich hinter Trumps Forderung – und bringt damit ganz Europa ins Grübeln.

Deutschland könnte zahlen – andere nicht

Deutschland wäre theoretisch in der Lage, die geforderten fünf Prozent zu leisten. Das Verteidigungsbudget müsste dafür von derzeit rund 98 Milliarden auf mehr als 230 Milliarden Dollar steigen. Eine Verdopplung, die zwar politisch heikel, aber volkswirtschaftlich verkraftbar wäre. Doch andere Länder haben nicht diese Spielräume.

Italien, Spanien und Frankreich müssten ihre Verteidigungsetats um mehrere Dutzend Milliarden Dollar erhöhen. In Italien etwa würden statt 34 bald 80 Milliarden Dollar pro Jahr fällig. Doch das Land ist bereits mit 135 Prozent des BIP verschuldet. Neue Kredite in diesem Umfang? Nahezu ausgeschlossen.

Eurobonds: Das große Tabu kehrt zurück

Und so rückt eine Lösung in den Fokus, die in Berlin eigentlich als politisches No-Go gilt: gemeinsame europäische Schulden. Eurobonds fürs Militär. Was einst als Tabubruch galt, könnte jetzt als sicherheitspolitischer Imperativ verpackt werden.

Mit Schuldenquoten von über 100 % sind Staaten wie Frankreich, Spanien und Italien kaum in der Lage, Trumps Fünf-Prozent-Forderung umzusetzen – ohne neue Schulden oder Eurobonds.

Die Argumentation: Wenn Europa seine Sicherheit nicht mehr allein von den USA abhängig machen will, braucht es eigene Verteidigungsfähigkeit. Und dafür müsse man Schulden vergemeinschaften.

Makroökonomen schlagen Alarm

Veronika Grimm vom Sachverständigenrat warnt: "Frankreich, Spanien und Italien haben mit Schuldenquoten über 100 Prozent keinen fiskalischen Spielraum."

Zudem laufen in Italien Anleihen von über 800 Milliarden Euro aus – bei deutlich gestiegenen Zinsen. Für neue Schulden wird es teuer. Ein Zinsanstieg könnte die Lage eskalieren lassen.

EU-Kommission hat bereits Kredite vorbereitet

Die Kommission plant bereits Verteidigungskredite über 150 Milliarden Euro. Diese sollen zu günstigen Konditionen an Mitgliedstaaten vergeben werden. Doch das Problem: Die Schulden erscheinen in den nationalen Haushalten.

Das verschreckt Märkte und Ratingagenturen. Deshalb drängen südeuropäische Länder auf Zuschüsse statt Kredite – und damit indirekt auf Eurobonds.

Wadephuls Vorstoß: Katalysator wider Willen?

Wadephul könnte damit unbeabsichtigt der Mann sein, der Europas Schuldenarchitektur ins Wanken bringt. Denn der Vorstoß für ein fünf-Prozent-Ziel setzt ein Dilemma in Bewegung: Sicherheit versus Stabilitätskriterien.

Militärausgaben im Gegenwert von 233 Milliarden Dollar jährlich würden Deutschland zur Rüstungs-Supermacht machen – mit ungewissen Folgen für Zinsen, Inflation und Bonität.

Wird die NATO zur Einflugschneise für europäische Schuldenunionen? Noch wehren sich viele in Berlin. Doch je länger die geopolitischen Spannungen andauern, desto plausibler wirkt das Argument: Sicherheit hat ihren Preis – und dieser ist für einige nur gemeinsam tragbar.

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