500 Milliarden – und ein Versprechen
Kaum ist die große Koalition offiziell, da markiert Lars Klingbeil schon Anspruch und Richtung. „Entschlossen“ wolle er das Sondervermögen Infrastruktur nutzen, um den wirtschaftlichen „Turnaround“ einzuleiten.
Das Wort fiel nicht zufällig. Der neue Finanzminister – und designierte Vizekanzler – will nicht nur verwalten, sondern gestalten. Mit einem Instrument, das in den kommenden Jahren zentrale finanzpolitische Macht verleiht: einem 500-Milliarden-Euro-Fonds, zweckgebunden für die Modernisierung Deutschlands.
Doch schon regt sich Kritik. Denn während Friedrich Merz als neuer Kanzler ein klassisch konservatives Sanierungsprogramm verspricht, sitzt ausgerechnet ein SPD-Stratege am Schalthebel der Haushaltsmacht. Der Kurs der neuen Koalition dürfte weniger gradlinig werden, als es auf dem Papier scheint.
Die Rückkehr der GroKo – mit vertauschten Rollen
Die Union stellt den Kanzler, doch die SPD hat das Finanzministerium. Ein umgekehrtes Machtgefüge im Vergleich zur Ära Merkel/Scholz. Und das dürfte in den kommenden Monaten zunehmend sichtbar werden.
Klingbeil, bislang Parteichef und Fraktionsvorsitzender, übernimmt kein Nebenamt – er besetzt das zentrale Ressort der Regierung.
In einem internen Schreiben an die SPD-Bundestagsfraktion betont er:
„Das Finanzministerium ist der Ort, an dem wir unsere Schwerpunkte […] vorantreiben.“
Das klingt nach Anspruch – nicht nach bloßer Zustimmung zur Merz-Linie.
Was steckt im Sondervermögen – und wie realistisch ist der Umbau?
Das Sondervermögen „Infrastruktur“ soll mit 500 Milliarden Euro über zehn Jahre gespeist werden – kreditfinanziert, aber außerhalb des regulären Bundeshaushalts. Juristisch möglich, politisch umstritten. Investiert werden soll in Schiene, Brücken, Energienetze, Digitales, Bildung und Verwaltung.

Klingbeil spricht von „systematischer Modernisierung“, von Industriepolitik, Standortsicherung und sozialer Verantwortung. Doch schon warnen Ökonomen: Ein Investitionsfonds ist kein Selbstläufer.
Ohne funktionierende Planungsbehörden, beschleunigte Genehmigungen und echte Reformen könnte das Geld schlicht versanden. Und: Die Schuldenbremse bleibt ein Hindernis – oder ein Pulverfass.
SPD will mehr als nur ausgleichen – sie will Einfluss
Klingbeil stellt klar: Die SPD gehe nicht als „reines Korrektiv“ in die Regierung. Übersetzt: Man will nicht nur soziale Begleitmusik zu einer Merz-Agenda spielen, sondern eigene Schwerpunkte setzen. Klingbeil nennt „sichere Arbeitsplätze“, „starke Industrie“ und „neues Wachstum“.
Darin liegt Sprengkraft. Denn Merz will sparen, deregulieren, entbürokratisieren. Klingbeil will investieren, sozial flankieren, möglicherweise auch umverteilen. Die Machtfrage wird sich nicht nur am Kabinettstisch entscheiden, sondern in den Ausschüssen, Haushaltsberatungen – und in der medialen Öffentlichkeit.
Koalition mit Konfliktpotenzial
Die neue Bundesregierung steht für Stabilität – zumindest auf dem Papier. In Wahrheit treffen hier zwei wirtschaftspolitische Konzepte aufeinander, die sich nur schwer synchronisieren lassen. Das Sondervermögen ist da nicht nur Hebel, sondern auch Konfliktfeld.
Die CDU will verhindern, dass es zur „Parallelkasse“ wird. Klingbeil hingegen sieht darin den Schlüssel für das, was die SPD als sozialen Fortschritt versteht. Je näher die Bundestagswahl 2029 rückt, desto schärfer dürfte dieser Konflikt geführt werden.
Viel Geld, wenig Konsens
Das Sondervermögen Infrastruktur könnte Deutschlands größte Investitionschance seit Jahrzehnten sein. Oder der Startpunkt für einen tiefen Richtungsstreit in der Regierung. Dass Lars Klingbeil nun am Finanzhebel sitzt, zeigt: Die SPD hat begriffen, dass Macht nicht nur in Worten liegt – sondern in Zahlen.
Ob es ihr gelingt, diesen Einfluss zu nutzen, ohne die Koalition zu sprengen, wird die zentrale Frage der kommenden Jahre. Denn Modernisierung ohne Mehrheiten bleibt Wunschdenken. Und eine halbe Billion ohne Strategie ist nur eins: teuer.
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