Ein IPO mit doppeltem Boden
Deutschlands Börsenlandschaft bleibt mau, doch mit Pfisterer startet nun das erste nennenswerte IPO des Jahres – zumindest dem Anspruch nach. Der schwäbische Spezialist für Hochspannungstechnik bringt Produkte auf den Markt, die tief in der Energieinfrastruktur Europas verwurzelt sind.

Kabelgarnituren für Offshore-Windparks, Silikonverbindungen für Übertragungsnetze, präzise Metallbearbeitung – das klingt nach solidem Mittelstand mit Rückenwind aus der Energiewende. Und genau darauf setzt Pfisterer.
Ab dem 14. Mai soll die Aktie im Scale-Segment der Frankfurter Börse notieren, der Preiskorridor liegt bei 25 bis 29 Euro. Der erwartete Börsenwert: rund eine halbe Milliarde Euro. Klein – aber ambitioniert. Doch wie tragfähig ist das Geschäftsmodell?
Solide Zahlen – mit Schönheitsfehlern
2024 legte Pfisterer beim Umsatz um 15 Prozent auf 383 Millionen Euro zu. Der Nettogewinn stieg um satte 65 Prozent auf 35 Millionen Euro. Beeindruckend. Die Ebitda-Marge: rund 15,7 Prozent – für die Branche stark.
Zum Vergleich: Nexans kommt auf rund 10 Prozent, NKT auf knapp 12. Die operative Rentabilität stimmt also – für ein Unternehmen dieser Größe.
Doch wer genauer hinschaut, entdeckt die erste Delle: Der Cashflow aus dem operativen Geschäft liegt bei 42,6 Millionen Euro, die Nettoschulden bei 66,2 Millionen.
Das bedeutet ein Verschuldungsgrad von 0,64 – akzeptabel, aber nicht herausragend. Wettbewerber wie NKT sind schuldenfrei.
Ein Drittel für die Gründerfamilie
Noch kritischer wird es beim Verwendungszweck der IPO-Erlöse. Denn nur rund 101,5 Millionen Euro des möglichen Emissionserlöses von 202 Millionen sollen ins Unternehmen fließen. Der Rest – immerhin bis zu 100 Millionen – geht direkt an die bisherigen Eigentümer Karl-Heinz Pfisterer und Anna Dorothee Stängel.
Pfisterer, Enkel des Gründers, hält derzeit rund 70 Prozent der Anteile. Sein Rückzug aus dem Tagesgeschäft und die Trennung der Geschäftsführung von der Familie im Jahr 2023 werden als Zeichen der Professionalisierung gewertet. Doch der hohe Mittelabfluss zugunsten der Altaktionäre dürfte bei potenziellen Investoren Fragen aufwerfen.

Ein kleiner Player unter Giganten
Im europäischen Vergleich ist Pfisterer ein Leichtgewicht: Prysmian kommt auf eine Marktkapitalisierung von rund 14,5 Milliarden Euro, Nexans auf über 4 Milliarden, NKT auf knapp 4 Milliarden.
Pfisterer dagegen bewegt sich mit unter 550 Millionen in einem ganz anderen Orbit. Die Konkurrenz ist nicht nur größer, sondern auch globaler aufgestellt, besser kapitalisiert und erfahrener im Börsenumfeld.
Zwar plant Pfisterer, den Umsatz mittelfristig auf bis zu 735 Millionen Euro zu verdoppeln – doch eine konkrete Jahreszahl bleibt das Unternehmen schuldig. Auch der geplante Wandel hin zum Anbieter von Hochspannungs-Gleichstromlösungen klingt strategisch logisch, bleibt aber vage.
Der Markt ist da – doch die Aktie?
Der Markt für Stromnetztechnik wächst zweistellig – laut Roland Berger mit rund 11,6 Prozent pro Jahr bis 2030. Energiewende, Netzausbau, Elektrifizierung der Industrie: Die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sprechen klar für Pfisterers Kerngeschäft.
Doch wie so oft bei Börsengängen kommt es nicht nur auf das Geschäftsmodell an – sondern auf die Bewertung. Der geplante Börsenwert erscheint im Verhältnis zur Umsatzgröße nicht überzogen, aber die geringe Handelsliquidität im Scale-Segment und die schwache Performance früherer IPOs mahnen zur Vorsicht.
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