17. Oktober, 2025

Global

IWF schlägt Alarm: Schattenbanken könnten die nächste Finanzkrise auslösen

Der Internationale Währungsfonds warnt vor wachsenden Risiken im kaum regulierten Schattenbankensektor – und sieht Parallelen zu den Mechanismen, die schon 2008 zum Crash führten. Besonders heikel: enge Verflechtungen mit klassischen Banken und überhitzte Märkte rund um KI-Aktien.

IWF schlägt Alarm: Schattenbanken könnten die nächste Finanzkrise auslösen
Der unsichtbare Riese: Schattenbanken kontrollieren fast die Hälfte aller globalen Finanzanlagen – ohne die Aufsicht klassischer Banken.

Der stille Riese im Finanzsystem

Sie verleihen Milliarden, handeln mit Krediten, verwalten Fonds – und stehen doch außerhalb des klassischen Bankensystems: sogenannte Schattenbanken, also Investmentfonds, Versicherer, Pensionskassen oder Hedgefonds. Nach Berechnungen des IWF kontrollieren sie inzwischen über 54 Billionen Euro an Vermögenswerten in Europa – und weltweit fast die Hälfte aller Finanzanlagen.

Was bislang nach Diversifikation klang, sieht der Internationale Währungsfonds (IWF) mittlerweile als systemische Gefahr. In seinem globalen Finanzstabilitätsbericht warnt die Organisation vor einem „potenziellen Schockverstärker“ im internationalen Finanzsystem. Denn: Die Verflechtungen zwischen Schattenbanken und klassischen Kreditinstituten haben ein Ausmaß erreicht, das bei einem Crash katastrophale Kettenreaktionen auslösen könnte.

Kredite ohne Kontrolle – Risiken ohne Aufsicht

Im Zentrum der Kritik steht, dass diese „Nicht-Banken“ (englisch: Non-Bank Financial Intermediaries, kurz NBFIs) längst bankähnliche Geschäfte betreiben – nur ohne die strengen Auflagen, die für traditionelle Banken gelten.

Sie finanzieren sich häufig über kurzfristige Kredite klassischer Banken, investieren in hochriskante Produkte und nutzen komplexe Derivatstrukturen. Der IWF-Finanzexperte Tobias Adrian warnt: „Wenn Nicht-Banken unter Stress geraten, steigen parallel bei den Banken die Verluste – die Kapitalpuffer schmelzen.“

Überhitzte KI-Märkte: Die „Magnificent Seven“ dominieren den S&P 500 – und machen ihn anfällig für plötzliche Korrekturen.

Tatsächlich zeigten jüngste Stresstests: Ein plötzlicher Liquiditätsabzug im Schattenbankensektor könnte die Kapitalquoten von bis zu 30 Prozent der europäischen Banken um mehr als 100 Basispunkte senken. Das klingt technisch – bedeutet aber: Schon ein einziger großer Schock könnte das Bankensystem empfindlich ins Wanken bringen.

Vom Nebenmarkt zum Machtfaktor

Noch vor 20 Jahren spielten Schattenbanken eine Randrolle. Heute wickeln sie laut IWF bereits rund 50 Prozent aller globalen Devisentransaktionen ab. Fondsriesen wie BlackRock, Vanguard oder Pimco verwalten Billionen und beeinflussen die Kurse ganzer Volkswirtschaften – oft ohne direkte Regulierung.

Das Problem: Diese Marktteilnehmer operieren global, während Aufsichtsbehörden meist national denken. In Europa ist die Zuständigkeit zwischen EZB, EBA, Esma und nationalen Behörden zersplittert – ein strukturelles Problem, das Krisenmanagement erschwert.

Der Fall Credit Suisse im Jahr 2021 gilt dem IWF als warnendes Beispiel. Damals führte der Kollaps des Hedgefonds Archegos Capital zu Verlusten von rund 5 Milliarden Dollar bei der Schweizer Großbank – ausgelöst durch riskante Geschäfte, die außerhalb der Bankbilanzen stattfanden.

KI-Boom als Risiko – IWF warnt vor „plötzlichen Marktkorrekturen“

Neben der systemischen Verwundbarkeit durch Schattenbanken warnt der IWF in seinem Bericht auch vor einer gefährlichen Konzentration an den Aktienmärkten. Besonders kritisch seien die Bewertungen im Bereich Künstliche Intelligenz.

Die Kurse vieler Tech-Giganten – von Nvidia über Microsoft bis Tesla – seien in den letzten Monaten weit stärker gestiegen als ihre tatsächlichen Gewinne. Die sogenannten „Magnificent Seven“ machen inzwischen ein Drittel des gesamten S&P 500 aus. Sollte die Euphorie kippen, warnt der Fonds, könnten die Kurse „plötzlich und kräftig korrigieren“ – mit möglichen Dominoeffekten auf das gesamte Finanzsystem.

Selbst Amazon-Gründer Jeff Bezos warnte kürzlich vor einer „industriellen Blase“ im KI-Sektor. Ähnlich äußerte sich Goldman-Sachs-Chef David Solomon: „Viele Investitionen in KI werden am Ende keine Rendite bringen – und dann wird das böse Erwachen folgen.“

Der Ruf nach Kontrolle – doch die Politik zaudert

Die Warnungen sind nicht neu. Doch sie werden lauter. Australien und Großbritannien haben bereits begonnen, Stresstests für Schattenbanken zu entwickeln. Die EU-Kommission prüft ein ähnliches Verfahren, konkrete Schritte gibt es aber noch nicht.

Die Chefin der EU-Finanzaufsicht Esma, Verena Ross, sprach im Sommer offen von einem „Regulierungsvakuum“. Man müsse erst verstehen, „wie sich die Verbindungen zwischen Banken und Schattenbanken in Krisen verhalten“. Genau das aber – so der IWF – könne im Ernstfall zu spät sein.

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Ein gefährliches Déjà-vu

Die Parallelen zur Finanzkrise 2008 sind unverkennbar: Auch damals wurden Risiken unterschätzt, weil sie sich außerhalb der klassischen Bankbilanzen versteckten. Heute heißt das Phänomen Schattenbankensektor – nur dass die Summen um ein Vielfaches größer sind.

Ein einziger Auslöser – eine gescheiterte KI-Blase, eine Staatsanleihekrise, ein geopolitischer Schock – könnte reichen, um die fragilen Verflechtungen zum Einsturz zu bringen.

Der IWF appelliert daher an Regierungen und Zentralbanken, mehr Transparenz und Berichtspflichten einzuführen – bevor das Unsichtbare erneut zum Explosiven wird.

Was als Randnotiz begann, ist heute das Herzstück des globalen Finanzsystems – nur ohne Herzschrittmacher. Schattenbanken sind kein Schatten mehr, sondern ein dominanter Teil des Marktes.

Der IWF hat recht mit seiner Warnung: Wenn diese Akteure fallen, fällt nicht nur ein Sektor. Dann fällt das Fundament.

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