Präzisionsschlag statt Komplett-Offensive
Wochenlang hatte es Gerüchte gegeben, Israel könne den gesamten Gazastreifen erobern. Nun ist klar: Die Armee konzentriert sich vorerst auf Gaza-Stadt im Norden.
Sie gilt als Kommando- und Versorgungszentrum der Hamas. Ziel ist, die verbliebenen Bewohner bis Anfang Oktober in Lager im zentralen Küstenstreifen umzusiedeln. Offiziell spricht niemand von einer Flucht, doch humanitär dürfte diese Maßnahme hochumstritten sein.
Fünf Ziele für den „Tag danach“
Begleitend zum Beschluss legte die Regierung eine politische Richtschnur fest: militärische Kontrolle über den Küstenstreifen, vollständige Entwaffnung und Entmilitarisierung der Hamas, Aufbau einer alternativen Verwaltung, Sicherung der Grenzen und langfristige Ausschaltung jeglicher Bedrohung.
Netanjahu betonte in einem US-Interview, Israel wolle Gaza nicht dauerhaft besetzen, sondern die Kontrolle an arabische Partner übergeben, „die nicht unsere Zerstörung im Sinn haben“.
Diplomatie in der Sackgasse
Die Entscheidung fällt in einer Phase stockender Gespräche. Monatelang versuchten Vermittler aus Katar und Ägypten, eine Waffenruhe und Geiselfreilassungen zu erreichen – ohne Erfolg.
„Die Hamas will keinen Deal“, sagte Netanjahu in einer Videobotschaft.
In Israel selbst vermuten Beobachter, dass die Eskalation auch als Druckmittel dienen könnte, um die Gegenseite an den Verhandlungstisch zu zwingen.
Gefahr für die Geiseln
Nach israelischen Schätzungen befinden sich noch rund 50 Geiseln in der Gewalt der Hamas, etwa 20 sollen am Leben sein. Militärs warnten, ein Frontalangriff könne ihre Rettung nahezu unmöglich machen.
Angehörige der Entführten lehnen eine militärische Befreiung ab und fordern stattdessen einen Deal. Kritiker werfen Netanjahu vor, den Krieg aus innenpolitischem Kalkül zu verlängern.

Ein Krieg der Zerstörung
Auslöser des Gaza-Krieges war der Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023, bei dem 1.200 Menschen in Israel getötet und über 250 verschleppt wurden. Seither sind nach Angaben der Hamas-Gesundheitsbehörde mehr als 61.000 Palästinenser ums Leben gekommen.
Drei Viertel des Gazastreifens stehen inzwischen unter israelischer Kontrolle. UN-Satellitendaten zeigen: Rund 70 Prozent der Gebäude sind zerstört oder schwer beschädigt, in einigen Städten liegt die Quote bei bis zu 90 Prozent.
Hunger, Not und Plünderungen
Internationale Hilfsorganisationen warnen vor einer Hungersnot. Zwar lässt Israel wieder mehr Hilfslieferungen ins Gebiet, doch viele erreichen die Bedürftigsten nicht – sie werden geplündert, teils von bewaffneten Gruppen. Die Vereinten Nationen sprechen von „katastrophalen“ Lebensbedingungen für die etwa zwei Millionen Menschen im Gazastreifen.
Eskalation mit ungewissem Ziel
Die Einnahme von Gaza-Stadt könnte die Hamas militärisch schwächen – oder sie weiter in den Untergrund drängen. Klar ist: Israel sucht nach einer Lösung, die Sicherheit verspricht, ohne in eine Dauerbesatzung zu geraten. Wer am Ende das zerstörte Gebiet verwaltet, bleibt jedoch die entscheidende Frage – und der größte Unsicherheitsfaktor.
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