Teuerung auf neuem Jahreshoch
Nach Monaten der Entspannung zieht die Inflation in Deutschland wieder an – und das spürbar. Laut dem Statistischen Bundesamt stiegen die Verbraucherpreise im September um 2,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Damit erreichte die Teuerung ihren höchsten Wert des Jahres. Besonders Dienstleistungen und Nahrungsmittel treiben die Preise nach oben.
„Nach der abnehmenden Teuerung seit Jahresbeginn stieg die Inflationsrate nun im zweiten Monat in Folge“, erklärte Bundesamtspräsidentin Ruth Brand. Für Verbraucher bedeutet das: Der Einkaufskorb wird erneut teurer, während das Einkommen stagniert.

Der schleichende Kaufkraftverlust
Was nach einer moderaten Zahl klingt, trifft die Haushalte empfindlich. Denn die Kerninflation – also ohne schwankende Energie- und Nahrungsmittelpreise – liegt mit 2,8 Prozent noch höher. Sie zeigt, dass der Preisdruck inzwischen strukturell geworden ist.
„Die Deutschen erleben eine stille Erosion ihrer Kaufkraft“, sagt IW-Ökonom Tobias Böhmer. „Der Warenkorb des Alltags, also Lebensmittel, Verkehr und Dienstleistungen, ist deutlich teurer als der Durchschnittswert suggeriert.“
Seit 2019 sind die Lebensmittelpreise laut der Europäischen Zentralbank um 37 Prozent gestiegen – ein historischer Rekord für die größte Volkswirtschaft Europas.
Essen, fahren, wohnen – alles wird teurer
Besonders stark trifft die Teuerung jene Bereiche, die kaum zu vermeiden sind:
- Obst: + 5,1 %
- Fleischwaren: + 3,2 %
- Schokolade: + 21,2 % (!)
- Gemüse: – 2,1 %
Die Preisexplosion bei Schokolade ist kein Zufall: Der Kakaopreis hat sich in den vergangenen zwei Jahren verdoppelt – bedingt durch Ernteausfälle in Westafrika. Gleichzeitig kämpfen Hersteller mit höheren Löhnen und Transportkosten.
Auch Dienstleistungen verteuerten sich um 3,4 Prozent. Kfz-Versicherungen, Autoreparaturen und ÖPNV-Tickets schlagen besonders zu Buche. Selbst einfache Zugreisen kosten heute rund 15 Prozent mehr als vor fünf Jahren.
Energiepreise: Entspannung mit Sternchen
Energie blieb im September ein Lichtblick – zumindest auf dem Papier. Strompreise sanken um 1,6 Prozent, Brennstoffe um 1,8 Prozent. Doch die Entlastung ist relativ: Gegenüber 2021, also dem Jahr vor der Energiekrise, liegen die Kosten immer noch rund 25 Prozent höher.
Die leicht gesunkenen Preise verdankt Deutschland dem milden Winter, gut gefüllten Gasspeichern und fallenden Großhandelspreisen. Doch Experten warnen: Sollten geopolitische Risiken zunehmen oder CO₂-Kosten weiter steigen, könnte die Entlastung rasch enden.
Gefühlte Inflation bleibt hoch
Während die Statistik Entspannung signalisiert, empfinden viele Bürger die Preissteigerungen als drastischer. Das liegt daran, dass der individuelle Warenkorb von Haushalten stark variiert. Wer viel pendelt oder eine Familie ernährt, spürt die Inflation stärker als ein Single ohne Auto.

Umfragen zeigen, dass 78 Prozent der Deutschen die Preisentwicklung weiterhin als „belastend“ empfinden. Besonders jüngere Familien und Alleinerziehende leiden unter gestiegenen Lebensmittel- und Mietkosten.
Ökonomen warnen vor neuer Inflationsphase
Die aktuelle Entwicklung überrascht viele Volkswirte. Nach Jahren der Hochinflation galt 2025 als Jahr der Normalisierung – nun droht ein erneuter Preisschub. „Wir sehen eine Zweitwelle der Inflation“, warnt Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer.
Hauptgrund: die Lohnentwicklung. Tarifsteigerungen von vier bis sechs Prozent in großen Branchen könnten die Preise weiter anheizen. „Die Löhne holen die Inflation nach, was die nächste Teuerungsrunde anstößt“, so Krämer.
Zudem sorgt der demografische Wandel für steigende Dienstleistungspreise – vom Handwerk bis zur Pflege. In vielen Branchen übersteigt die Nachfrage das Angebot deutlich.
Teuer bleibt das neue Normal
Deutschland hat die große Inflationswelle hinter sich – aber nicht die Teuerung selbst. Die Preise steigen langsamer, doch sie steigen weiter. Die Entlastung bleibt aus, und die neue Preisrealität frisst sich tief in die Lebenshaltungskosten der Mittelschicht.
Die 2 Prozent-Zielmarke der EZB mag bald wieder erreicht sein – im Portemonnaie der Deutschen fühlt sich das längst nicht so an.
