KI rettet das Wachstum
Nach einer langen Durststrecke meldet sich Infineon mit einem Hoffnungsschimmer zurück. Der Dax-Konzern rechnet im neuen Geschäftsjahr mit einem Umsatzplus – vor allem, weil der globale Hunger nach Rechenleistung für Künstliche Intelligenz die Nachfrage nach Leistungshalbleitern antreibt. Für Stromversorgungslösungen in KI-Rechenzentren erwartet das Unternehmen nun 1,5 Milliarden Euro Umsatz – rund 500 Millionen Euro mehr als noch vor wenigen Monaten prognostiziert.
Im abgelaufenen Geschäftsjahr, das am 30. September endete, erzielte Infineon mit diesem Segment 600 Millionen Euro. Vorstandschef Jochen Hanebeck sieht darin ein Schlüsselgeschäft der Zukunft: „Bis zum Ende des Jahrzehnts wird der für uns adressierbare Markt auf acht bis zwölf Milliarden Euro wachsen.“ Die Chips aus München stecken in Stromwandlern und Leistungseinheiten, die die gigantischen Serverfarmen von Nvidia, Amazon oder Microsoft überhaupt erst betreiben können.

Ein Riese mit lahmendem Kern
Trotz KI-Fantasie bleibt Infineon ein Konzern mit zwei Geschwindigkeiten. Während die Zukunftsmärkte boomen, ächzt das traditionelle Kerngeschäft. Der Umsatz sank im vergangenen Jahr leicht auf 14,6 Milliarden Euro, der Gewinn schrumpfte um rund 20 Prozent auf eine Milliarde Euro. Die operative Marge fiel von 20,8 auf 17,5 Prozent.
Der Grund: Das Automobilgeschäft, das die Hälfte des Umsatzes beisteuert, stagniert. Elektrofahrzeuge und das softwaredefinierte Auto bieten zwar langfristiges Potenzial – kurzfristig aber herrscht Flaute. „In Automobil-, Industrie- und verbrauchernahen Märkten sind die Wachstumsimpulse noch verhalten“, räumte Hanebeck ein.
Der Vorstand spricht daher nur von „moderatem Wachstum“ im neuen Geschäftsjahr. Besonders in der Industrie- und Konsumelektronik zeigen sich die Nachwirkungen der globalen Rezessionssorgen.
Hoffnungsträger China und der lange KI-Zyklus
Analysten halten dennoch Kurs: Das US-Haus Jefferies sieht Infineon strategisch gut positioniert – vor allem in China, wo der Konzern Aufträge von BYD und Xiaomi gewonnen hat. Neben der Elektromobilität zählen erneuerbare Energien und die KI-Infrastruktur zu den zentralen Wachstumstreibern.
Hanebeck setzt auf den langen KI-Zyklus. Anders als bei vergangenen Technologiewellen sei die Nachfrage diesmal strukturell bedingt – durch die enorme Rechenleistung, die generative KI-Systeme benötigen. Das spiele Infineon mit seiner Kompetenz in energieeffizienter Leistungselektronik direkt in die Karten.
Anleger bleiben skeptisch
An der Börse ist die Euphorie gedämpft. Seit Jahresbeginn hat die Infineon-Aktie um zehn Prozent zugelegt – deutlich weniger als der Dax mit 26 Prozent oder der US-Halbleiterindex Philadelphia Semiconductor mit über 40 Prozent. Investoren zweifeln, ob das KI-Geschäft stark genug ist, um die Schwäche im Autosegment auszugleichen.
Zudem bleibt der Markt für Speicher- und Logikchips überversorgt, was die Preise drückt. Infineon verdient vor allem an Hochleistungsbauteilen, deren Nachfrage mit Verzögerung auf Konjunkturschwankungen reagiert.
Zwischen Hoffnung und Realität
Infineon steht an einer Weggabelung: Das KI-Geschäft eröffnet enormes Potenzial, doch ohne stabile Basis in den klassischen Sparten wird der Aufschwung wacklig. Der Konzern muss beweisen, dass er den Spagat zwischen alter Industrie und neuer Technologie meistert – und dass der KI-Hype mehr ist als ein Strohfeuer.


