Airbus zieht – der Rest wartet
Die deutsche Wirtschaft steckt im dritten Rezessionsjahr, viele Industriezweige schwächeln. Doch ausgerechnet eine Branche, die lange im Windschatten stand, wächst – kräftig.
Die Luft- und Raumfahrtindustrie hat 2024 laut BDLI ihren Umsatz um 13 % auf 52 Milliarden Euro gesteigert. Noch beeindruckender ist die Beschäftigungszahl: 120.000 Menschen arbeiten mittlerweile in der Branche – ein Allzeithoch.
Verantwortlich für das Wachstum ist vor allem ein Unternehmen: Airbus. Der Flugzeugbauer produziert aktuell auf Hochtouren, insbesondere die Mittelstreckenjets der A320-Familie sind weltweit gefragt. Die Lieferketten bremsen zwar die Ausweitung der Produktion, doch das Auftragsbuch ist voll – und sichert Arbeitsplätze, vor allem in Norddeutschland.
Abhängigkeit von einem Typus
Doch der Boom hat einen Haken: Er stützt sich fast ausschließlich auf den zivilen Flugzeugbau. Und dort wiederum auf genau ein Modell, das A320-Programm.
Der Rest der Branche hängt an diesem einen Produkt wie ein Anhänger an der Lokomotive. Sollte sich der Markt eintrüben oder es zu Störungen in der Supply Chain kommen, wäre das gesamte System gefährdet.
Verteidigung als Hoffnungsträger
Weil diese Abhängigkeit vielen Firmen bewusst ist, setzen sie auf das Verteidigungsgeschäft. Derzeit bleibt es aber bei Hoffnungen. Zwar wurde unter der alten Bundesregierung ein 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr verabschiedet – doch viele der Aufträge flossen ins Ausland. Das sorgt für Frust in der Industrie.
Der Luftfahrtverband BDLI fordert deshalb mehr Klarheit und Tempo von der neuen Bundesregierung. „Die Unternehmen sind in Vorleistung gegangen“, sagt Verbandschef Michael Schöllhorn, der zugleich Airbus-Manager ist. Es brauche nun verlässliche politische Rahmenbedingungen – sonst bleibe es bei Stellen ohne Produktivität.
FCAS, Eurofighter, Panzerflieger: Viele Programme, wenig Fortschritt
Ein Beispiel für die zähe Umsetzung ist das FCAS-Programm, ein ambitioniertes Projekt für ein europäisches Luftkampfsystem. Deutschland, Frankreich und Spanien arbeiten seit Jahren daran – doch echte Fortschritte sind rar.
Experten wie Michael Santo von der Unternehmensberatung H+Z fordern eine Beschleunigung: „Entweder FCAS wird jetzt ernsthaft vorangetrieben, oder wir brauchen einheitliche europäische Projekte mit verbindlichen Zeitplänen.“
Raumfahrt – Ministerium ja, Aufträge nein
Auch die Raumfahrt erlebt politisch eine Renaissance – erstmals gibt es mit Dorothee Bär ein eigenes Bundesministerium. Doch auf dem Papier formulierte Ambitionen ersetzen keine Investitionen. Der Umsatz der Branche lag 2024 bei nur 3 Milliarden Euro, die Beschäftigtenzahlen stagnierten.
Dabei gäbe es Möglichkeiten. Start-ups wie Isar Aerospace oder die Rocket Factory Augsburg arbeiten an eigenen Trägersystemen für Satelliten. Die Bundeswehr plant ein nationales Satellitennetz.

Doch ohne staatliches Engagement drohen auch diese Vorhaben zu versanden. Der BDLI fordert sechs Milliarden Euro für eine deutsche Beteiligung an der ESA – bislang fehlt das Geld.
Innovation aus der zweiten Reihe
Trotz der strukturellen Schwächen ist die Branche innovationsfreudig. Etwa 7 % des Umsatzes, also 3,6 Milliarden Euro, flossen 2024 in Forschung und Entwicklung.
Das ist branchenübergreifend ein hoher Wert – und ein Beleg dafür, dass hier nicht nur gebaut, sondern auch gedacht wird. Doch ohne verlässliche Auftragslage bleiben viele Ideen im Prototypenstatus stecken.
Autoindustrie schrumpft – Luftfahrt stellt ein
Im Gegensatz zur Automobilbranche, die unter Absatzrückgang, Transformation und Überkapazitäten leidet, stellt die Luft- und Raumfahrt kräftig ein.
Das sendet ein wichtiges Signal: Industriearbeitsplätze mit technologischem Anspruch entstehen dort, wo es langfristige politische und wirtschaftliche Perspektiven gibt. Doch diese müssen auch eingelöst werden – durch gezielte Programme, fairen Wettbewerb und europäische Koordination.