17. Juni, 2025

Märkte

IBM zündet die nächste Stufe im Quantenrennen

Mit dem Projekt „Quantum Starling“ meldet sich IBM als ernsthafter Favorit im globalen Wettlauf um kommerziell nutzbare Quantencomputer zurück. Die Konkurrenz um Alphabet, D-Wave und IonQ bleibt chancenorientiert – aber noch klar in der Verfolgerrolle.

IBM zündet die nächste Stufe im Quantenrennen
Patente als Machtfaktor: IBM und Alphabet dominieren die weltweiten Quantenpatentanmeldungen – kleine Player wie IonQ und D-Wave bleiben deutlich abgeschlagen.

Der Wettlauf um die Vorherrschaft im Quantencomputing nimmt eine neue Wendung – und es sind nicht die jungen Highflyer, die derzeit die Schlagzeilen dominieren.

Mit seinem Projekt Quantum Starling zeigt IT-Urgestein IBM, dass jahrzehntelange Grundlagenforschung und ein langer Atem sich in diesem Technologiefeld mehr auszahlen könnten als aggressive Wachstumsstories junger Börsenstars.

20.000-fache Leistung – zumindest theoretisch

Mit großem Selbstbewusstsein kündigte IBM jüngst den weltweit „ersten großskaligen, fehlertoleranten Quantencomputer“ an. Der Superrechner soll ab 2029 im neuen Rechenzentrum in Poughkeepsie, New York, betriebsbereit sein.

Quelle: Eulerpool

In der Theorie könne Quantum Starling laut IBM rund 20.000-mal mehr Berechnungen durchführen als die aktuell verfügbaren Quantenmaschinen.

Der entscheidende Fortschritt liegt im Management der sogenannten logischen Qubits. Statt einzelner, extrem fehleranfälliger Qubits werden hier mehrere physische Qubits zu einem logischen System zusammengefasst, das sich gegenseitig kontrolliert und Fehler aktiv korrigiert.

Ohne diesen technologischen Durchbruch wäre ein praktischer Einsatz in Bereichen wie Wirkstoffentwicklung, Materialwissenschaft oder Finanzmodellierung kaum möglich.

IBM setzt auf robuste Skalierung statt schnelle Effekte

Während Start-ups wie D-Wave und IonQ häufig mit spektakulären Roadmaps aufwarten, aber noch weit von großindustrieller Anwendbarkeit entfernt sind, folgt IBM einem deutlich konservativeren, dafür technisch belastbareren Kurs.

„IBM erschließt die nächste Grenze der Quanteninformatik“, so IBM-CEO Arvind Krishna. „Wir ebnen den Weg für Systeme, die reale Herausforderungen lösen können.“

Das Timing ist kein Zufall. Nach Jahrzehnten des Grundlagenstudiums scheint die Branche an einem Kipppunkt zu stehen: Einerseits steigen die technischen Anforderungen an die Fehlertoleranz rapide. Andererseits wächst der wirtschaftliche Druck, aus Milliardeninvestitionen endlich marktreife Produkte zu entwickeln.

IBM verschiebt die Messlatte: Mit Quantum Starling will der Konzern bis 2029 einen fehlertoleranten Quantencomputer realisieren – technisch derzeit der wohl ehrgeizigste Plan der Branche.

Patente sprechen eine klare Sprache

Dass IBM mehr vorzuweisen hat als ambitionierte Ankündigungen, zeigen auch aktuelle Patentanalysen. Zusammen mit Alphabet führt IBM die Liste der weltweit erteilten Quantenpatente an – mit erheblichem Abstand zu D-Wave, IonQ oder Rigetti.

Während viele Start-ups noch an Basistechnologien feilen, sichern sich die Tech-Giganten die entscheidenden Schutzrechte für die spätere Monetarisierung.

Alphabet bleibt der schärfste Rivale

Auch bei Alphabet – Googles Mutterkonzern – läuft das Quantenprogramm auf Hochtouren. Bereits 2019 sorgte Google mit der umstrittenen Behauptung, erstmals „quantum supremacy“ erreicht zu haben, für Aufsehen.

Inzwischen konzentriert sich der Konzern auf die kommerzielle Skalierung der Technologie, eingebettet in seine massiven Cloud- und KI-Initiativen.

Die strategische Logik dahinter ist klar: Wer die Kontrolle über industrielle Quantenkapazitäten gewinnt, kann ganze Branchen revolutionieren – von der Pharmaforschung über die Kryptografie bis hin zur Optimierung globaler Lieferketten.

Start-ups wie D-Wave und IonQ kämpfen mit Kinderkrankheiten

Ganz anders stellt sich die Lage bei den prominenten Pure-Playern dar. Sowohl D-Wave als auch IonQ glänzen seit Jahren mit ambitionierten Ankündigungen, kämpfen aber operativ mit klassischen Problemen früher Technologiefirmen: begrenzte Skalierung, hohe Entwicklungskosten, unsichere Geschäftsmodelle.

Zwar gelangen beiden Unternehmen kleinere kommerzielle Pilotprojekte, doch der Weg zu echten, industriell breit einsetzbaren Plattformen bleibt steinig. Gleichzeitig fehlt es ihnen an der finanziellen Substanz und dem Patent-Fundament, das Konzerne wie IBM und Alphabet inzwischen aufgebaut haben.

Der große Durchbruch bleibt eine Wette

Noch ist offen, welches Unternehmen den finalen Durchbruch beim Quantencomputing schafft – und ob sich überhaupt eine dominante Plattform durchsetzen wird.

Sicher ist jedoch: Mit dem Einstieg von IBM in die Ära fehlertoleranter Quantencomputer verschiebt sich die Dynamik klar in Richtung der etablierten Tech-Schwergewichte.

Für Anleger bedeutet das vor allem eines: Im Rennen um das Quanten-Geschäft setzen immer mehr Experten nicht mehr primär auf die oft hochbewerteten Start-ups, sondern auf die erfahrenen Giganten mit tieferem Know-how, robusteren Finanzen – und langen Atem.

Das könnte Sie auch interessieren:

McMakler am Abgrund: Wie interne Machtkämpfe ein Proptech in die Knie zwingen
Einst Milliardenhoffnung, jetzt Überlebenskampf: Beim Berliner Start-up McMakler eskaliert der Konflikt der Investoren. Hinter den Kulissen ringen mächtige Geldgeber um Einfluss – und riskieren dabei den Untergang der Firma.