Gewinn stark, Vertrauen schwächer
IBM hat im dritten Quartal mehr verdient und umgesetzt als erwartet. Der Gewinn je Aktie stieg auf 2,65 US-Dollar, der Umsatz auf 16,33 Milliarden Dollar – beide Werte übertrafen die Schätzungen der Analysten. Auch die Jahresprognose wurde leicht angehoben: IBM erwartet nun ein Umsatzwachstum von mehr als fünf Prozent und einen freien Cashflow von 14 Milliarden Dollar statt bislang 13,5 Milliarden.
Trotz dieser Zahlen ging die Aktie nachbörslich um 6,5 Prozent nach unten. Für die Märkte war das Ergebnis kein Vertrauenssignal, sondern ein Anlass zur Vorsicht.
Die Schwachstelle heißt Red Hat
Der entscheidende Punkt liegt im Detail – genauer gesagt in der Softwaresparte. Dort stiegen die Umsätze zwar um zehn Prozent auf 7,2 Milliarden Dollar, doch das Wachstum blieb hinter den Erwartungen zurück. Besonders enttäuschend: das Geschäft mit Red Hat, dem 2019 übernommenen Open-Source-Anbieter, der als Herzstück von IBMs Hybrid-Cloud-Strategie gilt.
Red Hat galt lange als die Eintrittskarte in das Cloud-Zeitalter – heute wird sie zunehmend zum Prüfstein. Analyst Amit Daryanani (Evercore ISI) warnte, das verlangsamte Wachstum der Sparte werde Anleger verunsichern. Auch Brent Thill von Jefferies zeigte sich skeptisch: „IBM hängt stark an der Dynamik von Red Hat – wenn die nicht zurückkommt, gerät das ganze Softwaregeschäft ins Stocken.“
KI-Hoffnung trifft Realität
CEO Arvind Krishna betonte in der Quartalsmitteilung, die Kunden weltweit nutzten „unsere Technologie und unser Fachwissen, um mit Künstlicher Intelligenz echten Geschäftswert zu schaffen“. Tatsächlich profitiert IBM von einem wachsenden Interesse an KI-Lösungen für Unternehmen – anders als Konkurrenten wie Microsoft oder Google konzentriert sich IBM auf B2B-Anwendungen, also maßgeschneiderte Systeme für Großkunden.
Doch an der Börse zählt weniger das, was IBM heute kann, sondern das, was morgen möglich scheint. Und im Vergleich zu den Wachstumsraten der großen Cloud- und KI-Anbieter wirkt IBM immer noch wie ein solider, aber schwerfälliger Tanker.
Die alte IBM-Frage: Transformation oder Stagnation?
Seit Jahren versucht IBM, das Image des IT-Dinosauriers abzuschütteln. Der Konzern hat sein Kerngeschäft auf Cloud, KI und Consulting umgebaut, die margenstarke Hardwareproduktion weitgehend abgestoßen. Doch der Umbau zieht sich – und die Anleger sind ungeduldig.
Der jüngste Kursrutsch zeigt, dass Zahlen allein nicht reichen, um Vertrauen zurückzugewinnen. Die Investoren wollen sehen, dass IBM nicht nur anhebt, sondern überzeugt – dass die Wachstumsstory trägt und sich die milliardenschwere Red-Hat-Übernahme endlich voll auszahlt.

Stabilität hat ihren Preis
Trotz der Kritik bleibt IBM ein Unternehmen mit solider Bilanz, hohem Cashflow und berechenbarer Strategie – genau das, was viele Konkurrenten derzeit nicht bieten können. Doch an der Wall Street herrscht das Prinzip „Wachstum um jeden Preis“. Wer keine zweistelligen Steigerungen vorweisen kann, verliert schnell den Glanz.
IBM spielt in einem Segment, das zwischen Tradition und Innovation balanciert – profitabel, aber ohne Glamour. Für langfristige Investoren mag das attraktiv sein. Für kurzfristige Händler ist es ein Risiko.
Der Tanker auf Kurs – aber gegen den Wind
IBM steht damit exemplarisch für viele alte Tech-Größen: stark in der Substanz, aber schwach in der Fantasie. Solange Red Hat nicht wieder zum Wachstumstreiber wird, bleibt der Konzern gefangen zwischen stabilen Erträgen und stagnierender Story.
Der Kursrutsch zeigt: Die Börse verzeiht keine Mittelmäßigkeit – selbst wenn sie mit 14 Milliarden Dollar Cashflow glänzt.


