Ein Konzern, der eigentlich liefern wollte
Dassault Systemes gehört zu den unsichtbaren Riesen der europäischen Techbranche. Wer ein Auto konstruiert, ein Flugzeug digital simuliert oder eine komplexe Produktionsstraße plant – kommt oft an der Software des französischen Konzerns nicht vorbei.
Das Unternehmen verdient sein Geld mit virtuellen Zwillingen, digitalen Fabriken und Simulationsplattformen für Großindustrien. Doch ausgerechnet die Märkte, auf die Dassault lange gesetzt hat, sind angeschlagen – und mit ihnen der Fahrplan des Konzerns selbst.
Verdopplung ja – aber später
Am Freitag räumte Dassault Systemes ein, dass man für die eigenen Ziele mehr Zeit braucht. Der bereinigte Gewinn je Aktie soll zwar weiterhin kräftig steigen – nur eben nicht bis 2028, wie ursprünglich angekündigt, sondern erst 2029.
Zwischen 2,20 und 2,40 Euro je Aktie will man dann erreichen. Eine Verdopplung im Vergleich zu 2022, ja, aber eben mit Verzögerung.
Der Druck kommt aus der Automobilbranche
Dassaults Kunden sind Schwergewichte aus der Industrie: Stellantis, Volkswagen, Airbus, GE, Boeing. Doch gerade die Automobilindustrie leidet derzeit unter einem toxischen Mix aus sinkender Nachfrage, geopolitischer Unsicherheit und Margendruck.
Die Investitionen in neue Softwareplattformen, digitale Entwicklungsprozesse oder Cloudlösungen werden verschoben, wenn Budgets schrumpfen – was sich unmittelbar in Dassaults Auftragsbüchern bemerkbar macht.
Trump-Zölle treffen auch die Franzosen
Hinzu kommen politische Risiken: Die von Donald Trump verhängten Zölle auf ausländische Industrieprodukte haben die Märkte bereits jetzt spürbar verunsichert.
Dassault hatte seine operative Marge für 2025 schon im April zurücknehmen müssen – als direkte Reaktion auf die neuen Unsicherheiten im Welthandel. Analysten werten das als Warnsignal: Wenn ein langfristig aufgestellter Konzern wie Dassault schon heute vorsichtiger wird, könnte sich der Gegenwind als stärker erweisen als zunächst gedacht.
Doppelte Prognosekürzung binnen weniger Monate
Noch gravierender: Die Prognosen für 2024 hatte Dassault gleich zweimal nach unten angepasst – das letzte Mal gegen Ende des vergangenen Jahres.
Das Muster ist eindeutig: Die Dynamik fehlt, die Umsätze schwanken, die Margenziele werden weicher. Die Software selbst mag zukunftsfähig sein – doch die Investitionszyklen der Kunden bestimmen den Takt. Und der ist derzeit langsamer als gedacht.
Warum das trotzdem kein Kurswechsel ist
Was Dassault betont: Die Strategie selbst steht nicht infrage. Die Vision, digitale Zwillinge in alle industriellen Kernprozesse zu bringen, bleibt unangefochten.
Das Management setzt weiter auf Wachstum in der Luftfahrt, auf Healthcare-Plattformen und auf die zunehmend softwaregetriebenen Transformationsprozesse in der Industrie. Doch die Welt da draußen spielt nicht mit der gewünschten Geschwindigkeit mit – und das zwingt auch hochprofitable Softwarehäuser zum Bremsen.
Markt bleibt ruhig – aber nicht euphorisch
An der Börse reagierten Investoren zunächst gelassen – kein Einbruch, aber auch kein Vertrauensbeweis. Dassault gilt als solide, innovationsstark, gut geführt.
Doch das aktuelle Eingeständnis kommt zur Unzeit: Die globale Industrie steht ohnehin unter Spannung, Europas Technologiewerte ringen mit Bewertungsfragen. In diesem Umfeld mit gestutzten Erwartungen aufzutreten, sorgt zumindest für Stirnrunzeln.
Das Risiko: Zu viel Zukunft, zu wenig Gegenwart
Das eigentliche Problem für Dassault liegt tiefer: Der Konzern verkauft Lösungen, die in fünf oder zehn Jahren Effizienz bringen sollen – in einer Welt, in der viele Unternehmen gerade versuchen, die nächsten fünf Monate heil zu überstehen.
Wer im Mittelstand oder in einem zyklischen Konzern sitzt, plant selten strategisch digital, wenn Auftragslage und Margen im Keller sind.
2029 ist weit weg
Dassault Systemes will liefern – aber eben später. Ob der Markt so viel Geduld aufbringt, bleibt offen. Für den Moment spricht vieles dafür, dass der Konzern solide bleibt, aber auch an Strahlkraft verliert.
Wer bis 2029 investiert, muss an zwei Dinge glauben: an eine ruhigere Welt – und an einen Kundenstamm, der seine Digitalisierung dann auch wirklich bezahlen kann.