Ölpreis fällt, Gewinn schwindet – und Shell bleibt gelassen
Es ist kein guter Zeitpunkt, Ölkonzern zu sein. Der Brent-Preis liegt im Keller, Raffineriemargen schmelzen – und dennoch schafft es Shell, an der Erwartungshaltung der Analysten vorbeizuziehen. Mit einem Quartalsgewinn von 5,58 Milliarden Dollar meldet der britisch-niederländische Energieriese einen Rückgang von satten 28 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Und trotzdem: Die Börse zeigt sich erleichtert.
Weniger Umsatz, geringere Margen – die Zutaten für ein mageres Quartal sind schnell zusammengezählt. Und doch hat Shell aus dem, was der Markt hergab, mehr gemacht als viele Wettbewerber. Analysten hatten mit einem noch stärkeren Einbruch gerechnet. Dass Shell diesen Erwartungen trotzt, verdankt der Konzern vor allem einem disziplinierten Kostenmanagement und stabilen Erträgen im LNG-Geschäft.
75 Dollar für Brent – das reicht nicht mehr
Im ersten Quartal kostete ein Barrel Brent-Öl durchschnittlich 75 US-Dollar – zwölf Dollar weniger als ein Jahr zuvor. Für ein Unternehmen wie Shell, das nicht nur fördert, sondern auch raffiniert und vertreibt, sind solche Preisschwankungen mehr als ein statistischer Ausreißer. Sie fressen sich direkt in die Marge. Und der Rückenwind vergangener Jahre? Ist längst verpufft.
Während die Ölpreise unter Druck stehen, kommen neue geopolitische Risiken ins Spiel. Vor allem US-Präsident Donald Trump treibt mit seiner protektionistischen Handelspolitik viele Investoren um. Die Sorge vor einer globalen Wachstumsdelle – und damit sinkender Nachfrage nach Rohöl – ist real. Die Märkte reagieren entsprechend vorsichtig, Shell auch.
Besonders hart trifft Shell das schwächelnde Raffineriegeschäft. Die Marge in der Weiterverarbeitung von Rohöl ist seit Monaten im Sinkflug. Dafür wächst das Geschäft mit verflüssigtem Erdgas (LNG) – ein Bereich, in dem Shell weltweit zu den Marktführern zählt. Zwar reicht das nicht, um die Rückgänge vollständig auszugleichen, aber es verschafft Stabilität in einem nervösen Marktumfeld.
Strategie der ruhigen Hand
Shells Reaktion auf das schwierige Umfeld ist bemerkenswert unaufgeregt. Keine hektischen Kurswechsel, keine dramatischen Kürzungen. Stattdessen hält das Unternehmen an seiner Dividendenpolitik fest, setzt auf Effizienz in der Produktion und stärkt zukunftsträchtige Bereiche wie Wasserstoff und LNG. Die Botschaft: Wir wissen, wie man durch raues Fahrwasser navigiert.
Dass Shell nicht in alte Reflexe zurückfällt – etwa mit aggressiven Investitionen in neue Ölfelder –, zeigt ein Umdenken im Konzern. Der Fokus liegt mehr denn je auf Resilienz, Diversifikation und der Vorbereitung auf eine Zukunft, in der Öl nicht mehr das Maß aller Dinge ist.