27. Juli, 2024

Wirtschaft

Warum in Russland Geldüberfluss trotz Sanktionen herrscht

Trotz internationaler Isolation und strengen Sanktionen erlebt Russland eine paradoxale Wirtschaftsblüte, getrieben von einem Überfluss an Kapital und gesteigerter Binnenkonjunktur.

Warum in Russland Geldüberfluss trotz Sanktionen herrscht
Trotz internationaler Sanktionen und einem angespannten globalen Klima meldet Russland überraschend starke wirtschaftliche Ergebnisse, getrieben durch einen unerwartet hohen Leistungsbilanzüberschuss.

In einem erstaunlichen Szenario wirtschaftlicher Resilienz steht Russlands Wirtschaft vergleichbar einem prall gefüllten Dampfkessel dar, der vor Geld nur so brodelt.

Diese Entwicklung ist umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass das Land unter den schwersten internationalen Sanktionen seit Beginn des Krieges gegen die Ukraine steht.

Oleg Vjugin, ehemaliger Vizechef der russischen Zentralbank und eine Koryphäe auf dem Gebiet, bringt Licht in das neueste Phänomen des russischen Finanzmarktes, das durch das Aufkommen von Investoren mit Summen in dreistelliger Millionenhöhe gekennzeichnet ist.

Überfluss trotz Embargo

Der Krieg hat paradoxerweise zu einem beispiellosen wirtschaftlichen Überschuss geführt. Im Jahr 2022 erzielte Russland dank der hohen Energiepreise und eines stark reduzierten Imports einen Leistungsbilanzüberschuss von 238 Milliarden Dollar - ein Rekord, der nur von China übertroffen wird.

Russland verzeichnet einen signifikanten Anstieg staatlicher Ausgaben für Verteidigung und soziale Wohlfahrt, was kurzfristig das Wachstum stimuliert, jedoch langfristige ökonomische Stabilität gefährden könnte.

Trotz der anschließenden Einführung von Preisdeckeln und Embargos gegen russische Ölexporte, die zu einem Einbruch dieses Überschusses führten, konnte das Land seine Budgeteinnahmen teilweise sogar steigern.

Innovative Anpassungsfähigkeit

Die russische Wirtschaft hat sich erstaunlich an die neuen Gegebenheiten angepasst. Mit der verstärkten Konzentration auf den Binnenmarkt und durch massive staatliche Ausgaben, insbesondere für Militär und Sozialleistungen, hat Russland nicht nur eine tiefere Rezession vermieden, sondern auch ein Wachstum von 3,6 Prozent im Jahr 2023 erzielt.

Diese Entwicklung wird durch eine aggressive Kreditpolitik und einen Anstieg der Konsumkredite weiter angeheizt, was zu einer ungewöhnlichen Kombination aus Sparwut und Konsumfreude führt.

Geld bleibt im Land

Eine Schlüsselkomponente der aktuellen wirtschaftlichen Dynamik ist der drastische Rückgang des Kapitalabflusses. Durch die internationalen Sanktionen und den Ausschluss Russlands aus dem westlichen Finanzsystem bleibt mehr Kapital im Land.

Sanktionen und internationale Isolation haben dazu geführt, dass russisches Kapital im Land bleibt, wodurch der Binnenmarkt und lokale Investitionen unerwartet gestärkt werden.
„Russische Unternehmen haben seit Kriegsbeginn etwa 50 Milliarden Dollar aus dem Westen zurück nach Russland gebracht, weil sie fürchteten, dass es ihnen im Westen weggenommen wird“, sagt ein Experte.

Zusätzlich führen die geopolitischen Spannungen dazu, dass russische Unternehmen und Privatpersonen ihr Vermögen zurück ins Land holen, aus Angst vor Beschlagnahmungen oder Blockaden im Ausland.

Die Rolle des Staates

Der russische Staat hat seine Ausgaben, insbesondere für Verteidigung und soziale Wohlfahrt, massiv erhöht.

„Kreditzinsen von 20 Prozent schrecken die Menschen schon nicht mehr ab“, sagte Natalja Subarewitsch (Ökonomin an der Moskauer Universität).

Diese Staatsausgaben treiben das Wirtschaftswachstum weiter voran und kompensieren die durch Sanktionen bedingten Einschränkungen.

Dies zeigt sich unter anderem in einem starken Anstieg der Inlandsnachfrage, der das Wachstum der russischen Wirtschaft weiter stimuliert.

Ausblick und Herausforderungen

Die langfristigen Auswirkungen dieser wirtschaftlichen Entwicklung sind jedoch ungewiss. Während Russland kurzfristig eine Phase der wirtschaftlichen Blüte erlebt, könnten die anhaltenden Sanktionen und die zunehmende Isolation langfristige Schäden verursachen.

Trotz aktueller Wachstumserfolge bleibt die langfristige wirtschaftliche Gesundheit Russlands angesichts anhaltender internationaler Sanktionen und zunehmender Selbstisolation ungewiss.

Experten warnen, dass der derzeitige Boom teilweise auf einer künstlichen Stimulation basiert und die wahren Kosten der Isolation erst noch sichtbar werden könnten.

Fazit

Russlands Wirtschaft beweist eine beeindruckende Widerstandsfähigkeit gegenüber externen Schocks. Jedoch bleibt abzuwarten, wie nachhaltig dieses Wachstum ist und welche langfristigen Konsequenzen die derzeitige Wirtschaftspolitik nach sich ziehen wird.

Fest steht, dass Russland sich in einer Phase der ökonomischen Neuorientierung befindet, deren Ausgang noch offen ist.