Stiller Rückflug ins Ungewisse
Ohne öffentliche Vorankündigung und unter Ausschluss der Öffentlichkeit hat Deutschland erneut eine Evakuierungsaktion für Palästinenser aus dem Gaza-Streifen gestartet.
Nach Informationen aus Sicherheitskreisen, die dem Focus vorliegen, koordinierte das CDU-geführte Außenministerium die Maßnahme – mit Zustimmung israelischer Behörden. Ein Sprecher des Auswärtigen Amts wollte sich auf Anfrage nicht äußern.
Fest steht: Die Aktion ist kein Einzelfall, sondern Teil einer fortlaufenden, in Teilen intransparenten Serie humanitärer Aufnahmen, die offenbar auch Menschen umfasst, die weder über einen deutschen Pass noch über einen unmittelbaren rechtlichen Anspruch auf Einreise verfügen.
Wer wird geholt – und warum?
Nach IW-Recherchen sollen unter den Evakuierten neben deutschen Staatsbürgern und ihren Angehörigen auch verletzte oder kranke Palästinenser sein, für die in Gaza derzeit keine medizinische Versorgung gewährleistet werden kann.
In Berlin heißt es dazu aus Regierungskreisen: Man handle „rein humanitär“. Doch aus dem Umfeld der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist auch Unmut zu hören. Ein Abgeordneter spricht von einem „brutalen Zielkonflikt“ zwischen moralischer Verantwortung und innenpolitischer Tragfähigkeit.

Die konkrete Zahl der ausgeflogenen Personen war am Mittwochvormittag noch unklar. Im April waren bei einer ähnlichen Aktion bereits 28 Palästinenser nach Deutschland gebracht worden – die öffentliche Debatte blieb aus. Auch damals hatte das Auswärtige Amt unter Berufung auf Sicherheitsinteressen keine Details bekannt gegeben.
Koalitionsvertrag ignoriert?
Brisant ist dabei: Noch im aktuellen Koalitionsvertrag der neuen CDU/CSU-SPD-Regierung wurde explizit angekündigt, sogenannte humanitäre Aufnahmeprogramme auf den Prüfstand zu stellen und nach Möglichkeit zu beenden. Dass nun trotzdem – erneut – Evakuierungsflüge stattfinden, dürfte das Vertrauen konservativer Wählergruppen weiter belasten.
Insbesondere die Aufnahme von Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft oder Aufenthaltstitel wirft Fragen auf: Welche Kriterien gelten? Wer entscheidet über die Auswahl? Und wer übernimmt am Ende Verantwortung, wenn es zu Fehlentscheidungen kommt? Das Kanzleramt schweigt bislang.
Vergleich mit Afghanistan-Evakuierungen
Die heutige Aktion erinnert an die Evakuierungen afghanischer Ortskräfte aus Pakistan und dem Iran, die seit Jahren unter erheblichem innenpolitischem Druck stehen.
Über 36.000 Afghanen wurden nach Deutschland gebracht – viele davon ohne direkte Verbindung zu deutschen Behörden oder NGOs. Die deutsche Botschaft in Islamabad hatte bereits 2022 darauf hingewiesen, dass die Sicherheitsprüfung vieler Fälle nicht gewährleistet sei.
In Gaza ist die Lage zweifellos dramatisch – doch aus sicherheitspolitischer Sicht dürfte das heutige Vorgehen dennoch nicht unumstritten bleiben. Die neue Regierung begibt sich in eine ähnliche Grauzone wie ihre Vorgängerin.
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