Europa kauft teurer als der Rest der Welt
Eine Analyse der Boston Consulting Group (BCG) zeigt: 28 Prozent des europäischen Gasbedarfs müssen aktuell kurzfristig am Spotmarkt beschafft werden.
In Indien liegt dieser Anteil bei 17 Prozent, in China bei 12 Prozent. Japan hat sich über langfristige Verträge sogar mehr Gas gesichert, als es tatsächlich benötigt – das Land ist damit nicht auf volatile Spotkäufe angewiesen. Für Europa bedeutet diese Struktur, dass die Industrie stärker Preisspitzen ausgesetzt ist.
Margenschwund in Schlüsselbranchen
Der Preis für Erdgas lag 2019 in Europa im Schnitt bei 17 Euro pro Megawattstunde. Heute sind es mehr als 30 Euro. Bereits bei diesem Niveau schrumpfen die Margen erheblich: In der Aluminiumproduktion um rund ein Drittel, in Chemie, Glas, Keramik oder Papier um bis zu 33 Prozent.
Laut BCG wäre bei einem Gaspreis von 60 Euro pro Megawattstunde die Rentabilität energieintensiver Industrien nicht mehr gegeben – die Produktion würde ins Minus rutschen.

Unternehmen warnen vor Produktionsstillständen
Besonders betroffen ist die Stickstoffdüngerindustrie. SKW Piesteritz, einer der größten Ammoniakhersteller Deutschlands, erklärte, dass ein Gaspreis von 60 Euro pro Megawattstunde „massive Verluste“ nach sich ziehen würde.
Das Unternehmen müsste in diesem Szenario „alle Maßnahmen“ prüfen – einschließlich Produktionsstilllegungen und Stellenabbau. Ähnliche Sorgen äußern Teile der Chemiebranche, die sich bereits langfristige Lieferverträge gesichert hat, um das Risiko zu reduzieren.

Industrie sichert sich LNG-Verträge
Covestro hat im Sommer einen langfristigen Vertrag mit Ineos abgeschlossen: Ab 2027 sollen jährlich 1,4 Millionen Tonnen Flüssiggas aus den USA über Großbritannien nach Deutschland geliefert werden.
BASF setzt ebenfalls auf Diversifizierung und hat Verträge mit dem US-Anbieter Cheniere (bis zu 12 Terawattstunden LNG pro Jahr ab 2024) sowie mit dem norwegischen Konzern Equinor abgeschlossen (bis zu 23 Terawattstunden pro Jahr ab Oktober 2025).
Politische Vorgaben verschärfen das Risiko
Die EU plant mit dem „Methane Emission Act“ strengere Vorgaben für Gasimporte. Können Förderländer die geforderten Standards nicht erfüllen, drohen Strafzahlungen oder Lieferstopps.
Parallel steigt die CO₂-Abgabe in Europa kontinuierlich, was Gas zusätzlich verteuert. Damit wächst der Druck auf Unternehmen, Alternativen zu finden – die jedoch bislang in vielen Fällen technisch oder wirtschaftlich nicht verfügbar sind.
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