Die USA erleben gerade ein Experiment, das keiner bestellt hat: Was passiert, wenn ein Land mit dem größten Luftverkehrssystem der Welt plötzlich ohne funktionierende Verwaltung dasteht? Die Antwort lässt sich in Echtzeit an den Flughäfen von New York, Los Angeles oder Miami beobachten – und sie ist alles andere als theoretisch.
Am Freitag hat das Auswärtige Amt seine Reisehinweise für die Vereinigten Staaten verschärft. Wer aus Deutschland in die USA fliegt, muss sich auf stundenlange Sicherheitskontrollen, verspätete Abflüge und „komplette Flugausfälle“ einstellen. Das Problem ist nicht das Wetter. Es ist Politik.
Seit 38 Tagen herrscht in Washington Stillstand. Republikaner und Demokraten haben sich nicht auf einen Haushalt geeinigt, der sogenannten Shutdown blockiert die Finanzierung von Bundesbehörden. Viele Beamte bekommen kein Gehalt – darunter auch jene, von denen das Funktionieren des US-Luftraums abhängt.

Wenn niemand bezahlt wird, kommt irgendwann niemand mehr
Fluglotsen gelten als die unsichtbare Infrastruktur des globalen Reisens. Ohne sie startet kein Jet, ohne sie landet keiner. Doch im Shutdown arbeiten sie ohne Bezahlung – oder eben gar nicht.
Schon vor der Blockade fehlten rund 3.000 Lotsen. Nun bleiben immer mehr zuhause. Manche melden sich krank, andere kündigen. Die Folge: Die US-Luftfahrtbehörde FAA zwingt Airlines, Flüge zu streichen.
Für die ersten 40 größten Flughäfen der USA gilt aktuell eine gestaffelte Kürzung:
– seit Freitag: minus 4 % der Flüge
– ab Montag: minus 6 %
– ab Mittwoch: minus 8 %
– ab Freitag: minus 10 %
Die FAA behält sich vor, auf bis zu 20 Prozent zu erhöhen – pünktlich zu Thanksgiving, dem reiseintensivsten Wochenende der USA.
Schon jetzt wurden fast 1.000 Flüge am Freitag gestrichen. Tendenz steigend.
Deutsche Airlines sind (noch) nicht betroffen – das Risiko liegt beim Anschlussflug
Lufthansa und Condor geben Entwarnung: Alle Interkontinentalflüge starten und landen „regulär“. Lufthansa Cargo prüft mögliche Auswirkungen.
Das Problem lauert nach der Landung: Wer in den USA umsteigen muss, trifft in vielen Fällen auf einen ausgedünnten Regionalflugplan.
Die Empfehlung des Auswärtigen Amts:
→ Vor Abflug prüfen, ob Anschlussflüge überhaupt existieren.
Flughäfen, Museen, Parks: Der Shutdown trifft das Reisen an mehreren Fronten
Nicht nur der Luftraum ist eingeschränkt. Geschlossen oder nur eingeschränkt zugänglich sind:
– Nationalparks
– Museen
– historische Sehenswürdigkeiten
– Behörden, darunter Konsulate und Visa-Stellen
Selbst Visaverfahren verzögern sich – problematisch für Studierende, Geschäftsreisende und Saisonarbeiter.

Politik spielt Chicken Game – und die USA werden zum Spielfeld
US-Verkehrsminister Sean P. Duffy betont, es gehe nicht um Politik. Es gehe darum, „Risiken im System zu reduzieren.“
Wer sich in Washington umsieht, erkennt ein anderes Bild: Republikaner und Demokraten liefern sich ein Machtspiel. Donald Trump verlangt zusätzlich, dass die Republikaner die Filibuster-Regel im Senat abschaffen – ein Verfahren, mit dem Minderheiten Gesetzgebungsprozesse verlangsamen können. Die eigentliche Haushaltsfrage wird dadurch zur Nebensache.
Die Rechnung kommt jedoch schneller, als Washington reagiert. Schon beim letzten Shutdown 2018/2019 brachten erst massive Flugausfälle die Politik zum Einlenken.
Jetzt steuern die USA erneut darauf zu.
Warum ausgerechnet Chaos zur Lösung führen könnte
Wenn der US-Luftraum beginnt, sich selbst abzuschalten, ist das mehr als ein logistisches Problem. Dann wird es politisch gefährlich.
Die Erfahrung von 2019 zeigt:
→ Erst als Flüge ausfielen, bewegte sich die Politik.
Und diesmal sind die Voraussetzungen noch brisanter:
– 2024 verreisten 72 Millionen Amerikaner an Thanksgiving.
– Dieses Jahr droht der Luftverkehr ausgedünnt oder teilweise stillgelegt zu werden.
Wenn an einem der wichtigsten Familientage des Landes Flugchaos herrscht, gibt es nur eine Option: Einigung.
Was Reisende jetzt tun sollten
• Anschlussflüge vermeiden – wenn möglich Direktverbindungen wählen.
• Reserven einplanen: längere Wartezeiten, mögliche Übernachtungen.
• Vor Abflug ständig den Flugstatus checken.
• Mietwagenreservierungen flexibel halten.
Und: Wer Museen, Parks oder Regierungsgebäude besuchen möchte, sollte sich vorab informieren – vieles ist geschlossen.



