Ein Gerücht reicht – und der Kurs springt fast 50 Prozent
Es war eine dieser kurzen Notizen im Wall Street Journal, die an der Börse eine Lawine lostritt. Seitdem ist nichts mehr wie vorher: Die Aktie von WK Kellogg, einem vergleichsweise kleinen Cerealien-Hersteller aus den USA, legte im vorbörslichen NYSE-Handel um knapp 50 Prozent zu – und zog damit plötzlich das Interesse globaler Investoren auf sich.
Der Grund: Ferrero, der milliardenschwere Schoko-Gigant aus Italien, soll ein Übernahmeangebot vorbereiten. Der Preis? Rund drei Milliarden US-Dollar – doppelt so viel wie die Marktkapitalisierung von WK Kellogg noch vor wenigen Tagen. Eine offizielle Bestätigung fehlt bisher. Doch allein das Gerücht reichte, um das Unternehmen über Nacht auf den Radarschirm der Wall Street zu hieven.
Frühstück trifft Schokolade: Ein logischer, aber riskanter Schritt
Was auf den ersten Blick überraschend wirkt, ergibt bei näherer Betrachtung strategisch durchaus Sinn. Ferrero, bislang vor allem bekannt für Süßwaren wie Nutella, Ferrero Rocher oder Kinder Riegel, sucht nach neuen Wachstumsfeldern – und vor allem nach einem stärkeren Standbein in Nordamerika.
WK Kellogg, gegründet 2023 nach der Abspaltung vom ehemaligen Kellogg-Konzern (heute Kellanova), ist einer der führenden Anbieter im klassischen Cerealiengeschäft.
Marken wie Froot Loops, Frosted Flakes oder Raisin Bran sind in Millionen US-Haushalten fester Bestandteil des Frühstückstisches – auch wenn der Gesamtmarkt zuletzt unter sinkender Nachfrage und einem veränderten Konsumverhalten litt.
Wachstumsdelle bei Kellogg – Ferrero will antizyklisch zuschlagen
Im ersten Quartal 2025 musste WK Kellogg einen Umsatzrückgang von 6,2 Prozent verkraften. Gründe dafür sind unter anderem eine wachsende Skepsis gegenüber Zuckerprodukten, der Trend zu proteinreichen Frühstücksalternativen – und eine zunehmende Marktkonkurrenz durch Private Labels.
Ferrero, so heißt es aus Branchenkreisen, will genau in dieser Schwächephase zuschlagen.
CFRA-Analyst Arun Sundaram erklärte gegenüber Reuters, der potenzielle Deal sei „eine Gelegenheit für Ferrero, seine Abhängigkeit vom Süßwarengeschäft zu reduzieren und gleichzeitig den Zugang zum US-Massenmarkt zu sichern“. In der Tat könnte der Cerealienmarkt – trotz aktueller Delle – eine stabile Ergänzung zum saisonal schwankenden Süßwarengeschäft bieten.

Was Ferrero wirklich will: Infrastruktur, Regalfläche, Marke
Insider gehen davon aus, dass es Ferrero weniger um einzelne Produktlinien als vielmehr um Marktzugang und Vertriebskanäle geht.
WK Kellogg ist in nahezu allen großen US-Supermärkten vertreten, verfügt über ein etabliertes Logistiknetz und kann mit seinem Markennamen in puncto Vertrautheit punkten – ein Asset, das sich nicht in Quartalszahlen ausdrücken lässt, aber strategisch unbezahlbar ist.
Ferrero könnte auf diesem Weg nicht nur seine Reichweite massiv ausbauen, sondern auch neue Produktlinien in bestehenden Handelsstrukturen platzieren. Der Zugang zu Frühstücksregalen wäre damit gesichert – und das Geschäft mit Müsliriegeln, Snacks und Convenience-Produkten ließe sich sukzessive erweitern.
Ein Deal mit Signalwirkung – auch für Konkurrenten
Sollte Ferrero den Deal tatsächlich durchziehen, wäre es nicht nur die größte Übernahme in der Firmengeschichte, sondern auch ein Fingerzeig für den gesamten Lebensmittelmarkt. Die Grenzen zwischen Süßwaren, Frühstücksprodukten und Snacks verschwimmen – ebenso wie die Trennung zwischen europäischen und US-Konzernen.
Während Nestlé und Mondelez in den letzten Jahren ihre Portfolios zunehmend gestrafft haben, geht Ferrero einen anderen Weg: Aufbau, Expansion, Integration. Mit gezielten Akquisitionen – etwa von Fannie May, Eat Natural oder Kelsen – hat sich der Konzern in den vergangenen Jahren systematisch breiter aufgestellt. Kellogg wäre die bisher größte Etappe dieser Strategie.
Keine Bestätigung – aber viele Hinweise
Noch schweigen beide Unternehmen. Weder Ferrero noch WK Kellogg haben sich bislang zu den Übernahmegerüchten geäußert. Doch in Investmentkreisen gilt es als unwahrscheinlich, dass ein Bericht im Wall Street Journal ohne Substanz für derartige Marktreaktionen sorgt. Der Kursanstieg von fast 50 Prozent zeigt: Die Märkte halten den Deal für realistisch.
Und: Die Bewertung, so sagen M&A-Berater, wäre angesichts des strategischen Nutzens für Ferrero „nicht überzogen“. Das Zwei-Milliarden-Dollar-Plus zum aktuellen Börsenwert erscheint auf den ersten Blick hoch – doch im Vergleich zu anderen FMCG-Akquisitionen bewegt sich das Kurs-Multiple noch im vertretbaren Rahmen.
Ein neuer Riese für den Frühstückstisch?
Ob Cornflakes und Schokolade wirklich zueinander passen, wird sich zeigen. Doch eines ist bereits jetzt klar: Sollte Ferrero den Deal vollziehen, entsteht ein neues Schwergewicht im globalen Lebensmittelmarkt – mit klarem Fokus auf Nordamerika, breiterem Produktspektrum und erheblicher Vertriebsmacht.
Für WK Kellogg könnte es eine Rettung zur rechten Zeit sein. Für Ferrero ist es eine Wette auf die Zukunft des Frühstücks – und auf die Bereitschaft der US-Konsumenten, Marken zu vertrauen, auch wenn sie in italienischer Hand liegen.
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