12. Mai, 2025

Exklusiv bei InvestmentWeek: Goldman Sachs testet die KI-Revolution im Investmentbanking

InvestmentWeek liegt exklusiv ein interner Bericht vor, in dem Mitarbeitende der US-Großbank schildern, wie Künstliche Intelligenz ihren Arbeitsalltag bereits heute transformiert – von Präsentationen über Code bis zu Kundenstrategien.

Exklusiv bei InvestmentWeek: Goldman Sachs testet die KI-Revolution im Investmentbanking
Bei Goldman Sachs werden IPO-Prospekte inzwischen fast vollständig von der hauseigenen KI entworfen. Kritiker warnen vor Qualitätsverlust und Verantwortungsdiffusion.

Es geht nicht mehr um Science-Fiction. Es geht um PowerPoint. Um Outlook. Um Python. Und darum, wer am schnellsten Ergebnisse liefert.

Goldman Sachs testet derzeit intern eine neue KI-Plattform, die der InvestmentWeek exklusiv vorliegt. Die Tools, mit denen die Bank seit Mitte 2024 experimentiert, reichen vom hauseigenen KI-Assistenten bis hin zu spezialisierten Entwickler-Werkzeugen.

Sie basieren auf bekannten Sprachmodellen wie GPT oder Gemini, wurden aber mit einer eigenen Datenschicht abgeschirmt und bankintern weiterentwickelt.

„Wie ein zweiter Kollege am Bildschirm“

Der Kern der neuen Infrastruktur ist der sogenannte GS AI Assistant – eine Art unternehmensinternes ChatGPT. Bereits rund 10.000 Mitarbeitende aus verschiedenen Geschäftsbereichen nutzen das Tool – vom Börsenanalysten bis zur Partnerin im Private Wealth Management.

Gegenüber der InvestmentWeek berichteten mehrere Beschäftigte, die anonym bleiben möchten, wie massiv sich ihre Arbeit durch das System verändert habe. Besonders auffällig: Die Zeitersparnis.

Was früher drei bis fünf Stunden Recherche, Entwurf oder Abstimmung bedeutete, lässt sich nun innerhalb von Minuten strukturieren, vorbereiten – oder sogar finalisieren.

Eine Führungskraft aus dem Bereich Public Investing formulierte es so: „Ich lasse mir grobe Ideen in lesbare Entwürfe verwandeln. Dann gehe ich mit einem roten Stift durch. Das spart Zeit, macht kreativer – und ist erstaunlich präzise.“

Präsentationen, Strategiepapiere und Code in Rekordzeit

Ein anderer leitender Angestellter nutzt die KI, um monatliche Präsentationen zu erstellen. „Ich tippe rein: 'Fasse unsere letzten Projektupdates auf maximal drei Seiten zusammen, stichpunktartig, beachte die Notizen vom letzten Call'. Eine Minute später habe ich einen Entwurf, der fast schon druckreif ist.“

Ein Associate im Engineering-Team wiederum nutzt das Tool wie ein erweitertes Rechenzentrum. Testfälle generieren, Code validieren, Bugs erklären, sogar veraltete Outlook-Regeln per KI-Tutorial aufräumen – all das gehört inzwischen zum Alltag.

Goldman-Beschäftigte berichten, dass strategische Papiere und Präsentationen inzwischen zu weiten Teilen von der KI erstellt werden. Die menschliche Rolle: Redigieren, nicht formulieren.

Besonders bemerkenswert: Auch die Junior-Analysten im Haus, traditionell mit den mühsamsten Aufgaben betraut, berichten von einer völlig neuen Arbeitsdynamik.

„Ich beschreibe, was ich machen will – die KI schlägt sofort vor, welche Dateien oder Funktionen ich mir anschauen soll“, so eine der Stimmen im Investmentbereich.

Interne Übersetzungen statt teurer Agenturen

Ein weiterer Anwendungsbereich: Sprachbarrieren. Mit dem internen Tool Translate AI können Präsentationen, Marktberichte und Kundenkommunikation in neun Sprachen übersetzt werden – in Sekunden statt Tagen.

Früher wurden externe Agenturen beauftragt, heute erfolgt die Bearbeitung direkt in der Plattform. Die Bank habe dadurch laut internen Schätzungen zweistellige Prozentwerte bei den Übersetzungskosten eingespart – bei gleichzeitig deutlich verbesserter Geschwindigkeit.

Von der Spielerei zur Infrastruktur

Was zunächst wie ein digitaler Helfer für Textbausteine begann, entwickelt sich bei Goldman Sachs offenbar zur produktiven Infrastruktur. Besonders in technikaffinen Bereichen wie Derivatestrukturierung, Risikomodellierung oder Research wird das System bereits routiniert eingesetzt.

Die InvestmentWeek sprach mit mehreren Mitarbeitenden, die KI nicht nur als Recherchetool, sondern als Denkpartner nutzen.

Ein Strategieteam nannte die KI „einen Co-Autor, der nie müde wird“, ein anderer verglich sie mit einem „Bibliothekar mit GPS-Funktion“. Fast alle betonten: Die KI liefert nicht einfach nur Fakten, sondern hilft, Gedanken zu ordnen und Argumente präzise zu formulieren.

„95 % eines Börsengangs stammen schon aus der Maschine“

Besonders aufhorchen lässt eine Information, die der InvestmentWeek exklusiv vorliegt: Nach Angaben aus dem direkten Umfeld der Unternehmensführung soll bei der Erstellung von IPO-Prospekten bereits „95 Prozent der Erstfassung“ durch KI-Systeme generiert werden. Das entlaste nicht nur die Analysten, sondern erhöhe auch die Standardisierung und senke die Fehlerquote.

Goldman selbst plant, die Tools bis Ende des Jahres auf die Mehrheit der 46.000 Mitarbeitenden auszurollen.

Vorsicht bei der Euphorie

Doch nicht alle sind begeistert. Einige Mitarbeitende äußerten intern auch Bedenken – etwa, dass KI mittelfristig Arbeitsplätze überflüssig machen könnte. Insbesondere in jenen Bereichen, wo bisher Fleißarbeit dominierte, wird diskutiert, ob die Automatisierung nicht schneller voranschreitet als die Weiterbildung der Menschen.

Auch die Frage nach der Haftung bei Fehlern, etwa in regulatorisch sensiblen Dokumenten, wird intern kontrovers debattiert.

Trotzdem überwiegt aktuell die Aufbruchstimmung. Die InvestmentWeek hat mit sieben Goldman-Insidern gesprochen. Ihre Erfahrungen zeigen: Die Einführung generativer KI ist keine Testphase mehr. Sie ist Alltag. Und sie verändert die Arbeit in einer der mächtigsten Investmentbanken der Welt – dauerhaft.

Das könnte Sie auch interessieren:

Arbeitgeberverbände warnen vor 15 Euro Mindestlohn
Ein Schulterschluss quer durch Mittelstand, Handel und Landwirtschaft: Führende Wirtschaftsverbände blasen zum Protest gegen die politisch motivierte Erhöhung des Mindestlohns. Die Sorge ist groß – vor Jobverlusten, steigenden Sozialabgaben und einem schleichenden Erosionsprozess der Tarifautonomie.