Ein transatlantisches Beben mit Nachhall
Das Treffen war geheimnisvoll, der Ort abgelegen, der Zeitpunkt symbolisch: In Anchorage, Alaska, trafen sich US-Präsident Donald Trump und Russlands Staatschef Wladimir Putin zu ihrem ersten Gipfel seit vier Jahren.
Das Ergebnis? Unklar. Die Folgen? Politisch gewaltig. Während in Europa noch an der Bedeutung des Gesprächs gerätselt wird, zieht ein Riss durch die außenpolitische Fassade der EU.
Merz, Macron, Meloni: Die Ukraine bleibt gesetzt
Noch bevor Trump oder Putin konkrete Ergebnisse verkündeten, zogen führende EU-Staaten eine diplomatische Linie – gegen jede Form geopolitischer Nachgiebigkeit.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Italiens Premierministerin Giorgia Meloni und fünf weitere Spitzenvertreter aus Brüssel, Warschau, Helsinki und London erklärten in einer gemeinsamen Stellungnahme:
„Die Ukraine kann auf unsere unerschütterliche Solidarität zählen.“
Sie lehnten damit nicht nur ein stillschweigendes Vetorecht Russlands gegen einen EU- oder NATO-Beitritt der Ukraine ab – sondern pochten zugleich auf „eiserne Sicherheitsgarantien“ für das von Moskau überfallene Land. Ein symbolischer Schulterschluss, mit dem die EU auch ihre Unabhängigkeit gegenüber Washington betonen will – gerade unter einem US-Präsidenten Trump, dessen Linie als unberechenbar gilt.
Orbán bricht erneut aus
Und doch: Der Konsens hat Risse. Ungarns Premier Viktor Orbán, seit Jahren als scharfer Kritiker der EU-Ukraine-Politik bekannt, feiert den Alaska-Gipfel als historischen Durchbruch. „Die Welt ist nach dem Treffen sicherer geworden“, schrieb er auf X – und fügte hinzu, das Treffen habe „der Demontage der Zusammenarbeit zwischen den Atommächten ein Ende gesetzt“.
The EU was built to serve sovereign nations, not to rule them. Brussels holds no leash on Hungary. We take no orders from unelected bureaucrats and answer only to our people. It's time to set the record straight. 🇭🇺 pic.twitter.com/glNxi30Wvz
— Orbán Viktor (@PM_ViktorOrban) August 14, 2025
Für viele in Brüssel kommt diese Einlassung einem Affront gleich. Nicht nur, weil Orbán die Solidaritätsbekundung demonstrativ unterläuft, sondern auch, weil er Trump und Putin einen diplomatischen Erfolg zuschreibt, der bislang inhaltsleer bleibt. Kein Vertrag, keine Vereinbarung, keine Waffenruhe – nur ein Gespräch.
Ein Gipfel ohne Ergebnis, aber mit Folgen
Die europäische Nervosität ist verständlich. Zwar handelte es sich bei dem Treffen in Alaska nicht um ein offizielles Friedensabkommen. Doch allein die Tatsache, dass Trump Putin überhaupt empfing – und danach Selenskyj erst für den Folgetag ins Weiße Haus bat – wertet der Kreml als symbolischen Teilerfolg.
Es war das erste direkte Gespräch zwischen den Staatschefs seit vier Jahren – und es markiert den Beginn eines neuen diplomatischen Spiels, bei dem Europa am Rand sitzt.
Kiew bleibt auf europäische Rückendeckung angewiesen
Während Washington seine Linie neu auslotet, bleibt die EU der Hauptpfeiler der westlichen Ukrainehilfe. Laut dem Kieler Institut für Weltwirtschaft haben die EU-Staaten Kiew seit Beginn des Kriegs Militärhilfen in Höhe von 35,1 Milliarden Euro zugesichert – mehr als die USA. Zudem wurden rund 4,4 Millionen Ukrainer als Geflüchtete aufgenommen.
Diese Zahlen unterstreichen nicht nur das finanzielle Engagement Europas, sondern auch die politische Verantwortung. Ein Nachlassen des Drucks auf Moskau – sei es durch Trump oder durch Einzelstaaten wie Ungarn – wäre für Kiew eine strategische Schwächung.
Was passiert, wenn Washington umschwenkt?
Der Ausgang der US-Wahl 2026 wird darüber entscheiden, ob die USA weiter fest an der Seite der Ukraine stehen – oder in eine Verhandlungslogik mit Moskau abdriften.
Dass Trump wieder verhandelt, ist kein Geheimnis. Dass er möglicherweise bereit wäre, den Status quo einzufrieren und territoriale Kompromisse in Kauf zu nehmen, wird in Brüssel mit Sorge beobachtet. Der Alaska-Gipfel könnte ein Testballon gewesen sein.
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