11. November, 2025

Wirtschaft

EuGH-Entscheidung zur EU-Mindestlohnrichtlinie: Ein präzedenzbildender Richterspruch erwartet

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) steht vor einer entscheidenden Weichenstellung, die die zukünftige Gestaltung der europäischen Mindestlohnpolitik nachhaltig beeinflussen könnte. Im Zentrum der legalen Auseinandersetzung befindet sich die im Jahr 2022 von den EU-Mitgliedsstaaten verabschiedete Mindestlohnrichtlinie. Derzeit wird ihre Übereinstimmung mit den europäischen Verträgen intensiv geprüft. Die Klage, die von Dänemark eingebracht und von Schweden unterstützt wird, wirft der Richtlinie eine Kompetenzüberschreitung vor. Im Kern der Argumentation steht der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), den Dänemark als Grundlage versteht, die keine Regelungen zum Arbeitsentgelt zulässt.

Der Generalanwalt des EuGH hat in seinem Gutachten die Empfehlung ausgesprochen, die Richtlinie aufzuheben. Diese Empfehlung ist jedoch für das Gericht nicht bindend. Sollte es zu einer Aufhebung kommen, hätte dies signifikante Auswirkungen auf die deutsche Rechtslage. Die aktuelle Debatte um die Anpassung des deutschen Mindestlohngesetzes an die europäischen Vorgaben, wie sie die Richtlinie vorsieht, könnte an Bedeutung verlieren und möglicherweise sogar hinfällig werden.

Der Mindestlohn in Deutschland ist zuletzt auf 13,90 Euro pro Stunde angehoben worden und soll bis zum Jahr 2025 schrittweise auf ein höheres Niveau steigen. Forderungen von Gewerkschaften, den Lohn auf über 15 Euro anzuheben, werden bis auf Weiteres nicht realisiert. Gleichzeitig muss die Bundesrepublik Deutschland der EU-Kommission einen Aktionsplan zur Förderung von Tarifverhandlungen vorlegen, um die Tarifbindungsquote zu erhöhen und den sozialen Dialog zu stärken.

Professor Adam Sagan von der Universität Bayreuth betrachtet eine eventuelle Nichtigkeitserklärung der Richtlinie als Rückschritt für die europäische Sozialpolitik. Sollte jedoch die Richtlinie bestätigt werden, könnte dies eine erhebliche Reform des deutschen Mindestlohngesetzes nach sich ziehen. Prof. Martin Höpner vom Max-Planck-Institut hebt hervor, dass ungeachtet des Ausgangs der juristischen Auseinandersetzung ein erhöhter Handlungsbedarf in Deutschland besteht. Er betont, dass die Herausforderung der abnehmenden Tarifbindung auch ohne direkte EU-Vorgaben in Angriff genommen werden muss, um die Wettbewerbsfähigkeit und soziale Stabilität zu sichern.