22. Oktober, 2024

Wirtschaft

Erneute Finanzsorgen in der Pflegeversicherung: Beitragsanhebung in Sicht

Erneute Finanzsorgen in der Pflegeversicherung: Beitragsanhebung in Sicht

Die Pflegeversicherung steht erneut vor finanziellen Herausforderungen. Gernot Kiefer, stellvertretender Vorstandschef des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV), signalisierte am Mittwoch besorgniserregende Aussichten. Für das erste Quartal 2024 meldet die Pflegeversicherung ein Defizit von 650 Millionen Euro. Insgesamt rechnet man für dieses Jahr mit einem Minus von 1,5 Milliarden Euro, und für 2025 wird sogar ein Defizit von 3,4 Milliarden Euro erwartet. Dies könnte eine Erhöhung der Beitragssätze um 0,2 Punkte erforderlich machen.

Trotz einer kürzlich umgesetzten Stabilisierungsreform zeigt sich, dass die Finanzlage der Pflegekassen sich nicht wie erhofft verbessert hat. Ein Überschuss von 1,79 Milliarden Euro im vergangenen Jahr war vor allem auf eine Beitragsanhebung durch die Ampel-Koalition zurückzuführen. Seit dem 1. Juli 2023 zahlen Kinderlose vier Prozent und Eltern mit einem Kind 3,4 Prozent Pflegebeiträge. Familien mit mindestens zwei Kindern werden hingegen entlastet.

Kiefer betont die dringende Notwendigkeit, die Liquidität der Pflegekassen zu sichern, was ab Januar 2025 zusätzliche Mittel erfordern könnte. Grund für die wachsenden Finanzrisiken sind mehr Leistungsbezieher und zusätzliche Entlastungen für Pflegebedürftige. Ende 2023 verzeichnete die Pflegeversicherung erstmals über fünf Millionen Leistungsbezieher, ein Anstieg, der seit 2017 durchschnittlich 320.000 pro Jahr beträgt. 2023 betrug der Anstieg jedoch 360.000, was die Pflegekassen besonders belastet.

Diese Entwicklungen bringen das System zunehmend in Schwierigkeiten. Kiefer fordert einen nachhaltigen Konsens und eine grundlegende Finanzreform, da alleinige Beitragsanhebungen keine langfristige Lösung bieten. Ein kritischer Punkt ist, dass die Zuschläge für Heimbewohner zwar 4,5 Milliarden Euro kosteten, jedoch alle Einkommensgruppen gleichermaßen profitieren.

Auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisiert die jüngste Pflegereform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach als unzureichend. Vorstand Eugen Brysch fordert einen steuerfinanzierten Bundeszuschuss. Bundeskanzler Olaf Scholz hat ebenfalls klargestellt, dass eine umfassende Pflegereform nötig ist, wobei auch die Finanzierung und Beitragshöhe neu bewertet werden müssten. Kiefers Skepsis, dass eine Reform vor der Bundestagswahl 2025 umgesetzt werden kann, ist groß. Dennoch sollte sie in der neuen Legislaturperiode oberste Priorität haben.

Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov zeigt, dass 79 Prozent der Befragten einen Bundeszuschuss für die Pflegeversicherung befürworten. Nur 12 Prozent lehnen dies ab. Erhöhungen der Pflegebeiträge stoßen mehrheitlich auf Ablehnung. Ein bereits zuvor eingeführter Bundeszuschuss von einer Milliarde Euro wurde im Rahmen der Haushaltssanierung 2024 gestrichen.