17. Juni, 2025

Reichtum

Erben mit Reue? Wie Deutschlands Vermögende ihr Geld falsch weitergeben

Drei von vier vermögenden Deutschen bedauern, wie sie mit ihrem Erbe umgegangen sind. Die Studie der Capital Group zeigt: Es fehlt an Struktur, Beratung und Weitsicht. Und ausgerechnet Finfluencer werden immer öfter zu den neuen Ratgebern der Erbengeneration.

Erben mit Reue? Wie Deutschlands Vermögende ihr Geld falsch weitergeben
76 Prozent der vermögenden Deutschen bereuen, wie sie ihr Erbe verwendet haben – ein europäischer Spitzenwert für Fehlplanungen in der Vermögensnachfolge.

Reichtum, aber wenig Strategie

Die Zahlen sind eindeutig – und für viele Vermögensfamilien in Deutschland ernüchternd. Laut einer aktuellen Erhebung der Capital Group geben 76 Prozent der wohlhabenden Deutschen an, rückblickend mit ihrem Erbe unzufrieden zu sein.

Damit liegt Deutschland europaweit an der Spitze der Reuequote. International liegt der Durchschnitt bei immerhin noch 65 Prozent.

Der Kern des Problems: Viel Vermögen, aber wenig durchdachte Nachfolgeplanung. Das zeigt sich nicht nur bei der Vermögensaufteilung, sondern auch in der Art und Weise, wie die Erben ihre Finanzen steuern.

„Die Mehrheit der Erben wünscht sich rückblickend, sie hätte ihr Vermögen anders genutzt, insbesondere stärker investiert“, sagt Guy Henriques, Leiter Europa und Asien bei der Capital Group.

Großeltern vererben, Enkel investieren zögerlich

Untersucht wurden 600 vermögende Privatpersonen aus Europa, den USA und dem asiatisch-pazifischen Raum.

Ein Großteil der deutschen Erben erhielt das Vermögen dabei nicht von den Eltern, sondern von den Großeltern – meist zwischen einer und 25 Millionen Dollar. Doch statt konsequent zu investieren, landete nur ein Bruchteil der Gelder in wachstumsorientierten Anlagen.

Fast 80 Prozent der Erben erhalten keine klaren Vorgaben zur Vermögensverwendung – Kommunikationsdefizite bleiben das Kernproblem vieler Vermögensfamilien.

Im Schnitt flossen 22 Prozent in Investmentfonds, lediglich 11 Prozent in Pensionsfonds. Zwei von fünf Befragten geben offen zu, sie hätten heute gerne einen größeren Anteil des Erbes in produktivere Anlageklassen investiert.

Finfluencer statt Vermögensberater

Auffällig ist dabei der wachsende Einfluss neuer Akteure in der Vermögensberatung. Besonders die jüngeren Erben – vor allem Millennials – wenden sich immer häufiger den sozialen Medien zu.

27 Prozent der internationalen Befragten verlassen sich nach einer Erbschaft eher auf sogenannte Finfluencer, also Finanz-Influencer auf Instagram, YouTube und TikTok, als auf etablierte Finanzberater (18 Prozent).

In Deutschland ist der Trend noch ausgeprägter: 48 Prozent der jungen Erben holen sich Rat in sozialen Netzwerken, nur 23 Prozent setzen auf klassische Vermögensverwaltung.

Die Rolle von Influencern, die oft mit hoher Reichweite und einfachen Botschaften auftreten, wird damit zu einem wachsenden Faktor bei der Steuerung großer Vermögen – nicht immer zum Vorteil der langfristigen Stabilität.

Juristen und Steuerberater dominieren die Planung

Die Schwächen der Vermögensnachfolge liegen allerdings nicht nur bei den Erben selbst. Die Capital-Group-Studie zeigt, dass viele Familienstrukturen schlicht nicht auf systematische Nachfolgeplanung vorbereitet sind.

79 Prozent der Befragten berichten, dass es vor dem Erbfall keine klaren Vorgaben zur Vermögensverwendung gab. In den meisten Fällen dominieren Juristen (61 Prozent) und Steuerberater (49 Prozent) die Beratung. Finanzberater spielen nur in etwa jedem fünften Fall eine Rolle. Die wirtschaftliche Perspektive auf das Erbe bleibt dabei häufig auf der Strecke.

Nur 22 Prozent des geerbten Vermögens fließen in Investmentfonds, 11 Prozent in Pensionsfonds – viele Erben investieren defensiver, als langfristig sinnvoll wäre.

Das Tabu der Erbschaftsplanung

Ein Grund für die verbreitete Unsicherheit liegt in der Kommunikation innerhalb der Familien. Über Geld spricht man nicht – dieser Satz prägt noch immer weite Teile der deutschen Oberschicht. Nur ein kleiner Teil der Vermögenden geht das Thema frühzeitig und offen an.

Gerade bei komplexeren Vermögen – etwa bei Familienunternehmen, Immobilienportfolios oder grenzüberschreitenden Beteiligungen – führt das regelmäßig zu ungenutzten Chancen und unnötigen Verlusten. Familienintern bleibt vieles unausgesprochen, Konflikte über die spätere Aufteilung des Vermögens werden so nicht selten erst nach dem Tod eskalieren.

Professionelle Beratung oft zu spät

Die Befragung zeigt zudem, dass professionelle Finanzplanung häufig erst dann einsetzt, wenn die Vermögen längst übergeben sind. Anstatt mit strategischer Weitsicht über mehrere Generationen hinweg zu planen, wird vielfach nur kurzfristig reagiert.

Besonders problematisch: Viele Erben betreten den Kapitalmarkt ohne solides Grundwissen und orientieren sich in der Anfangsphase ihrer Vermögensverwaltung an lauten Stimmen in den sozialen Medien. Finanzberater werden oft erst hinzugezogen, wenn erste Fehler bereits passiert sind.

Erben unter Druck: Vermögen erhalten, aber wie?

Die größte Herausforderung für die neue Erbengeneration bleibt damit der Spagat zwischen Kapitalerhalt und sinnvollem Wachstum. Inflation, niedrige Realrenditen auf klassischen Sparkonten und wachsende politische Unsicherheiten erhöhen den Handlungsdruck zusätzlich.

Wer das geerbte Vermögen langfristig sichern will, muss mehr leisten als bloße Verwaltung. Diversifikation, solide Anlagekonzepte, steueroptimierte Strukturierungen und rechtzeitige Planung sind unerlässlich. Die wachsende Rolle von Finfluencern zeigt dabei eher die Orientierungslosigkeit vieler Erben als eine nachhaltige Strategie.

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