Still und strategisch – der Einstieg von Parvus
Es ist kein Zufall, dass Parvus Asset Management gerade jetzt aktiv wird. Der Londoner Hedgefonds ist bekannt dafür, Beteiligungen nicht aus Sentimentalität zu halten – sondern um Druck aufzubauen.
Dass er sich ausgerechnet bei Novo Nordisk einkauft, lässt aufhorchen: Der dänische Pharmariese steckt tief im Umbruch. CEO Lars Fruergaard Jørgensen hat seinen Abschied angekündigt, ein Nachfolger ist noch nicht gefunden. Die Führungsfrage ist offen – und damit ein potenzielles Einfallstor für Einflussversuche.
Parvus hält aktuell weniger als fünf Prozent der Aktien. Das reicht für einen Platz auf der Aktionärsliste, aber nicht für echte Gestaltungsmacht. Dennoch ist klar: Der Einstieg ist kalkuliert. Ziel ist, bei der CEO-Neubesetzung mitzureden – oder zumindest Druck auf die strategische Ausrichtung auszuüben.
Der Reiz – und die Schwäche – von Novo Nordisk
Novo Nordisk ist einer der wertvollsten Pharmakonzerne Europas, berühmt für Insulinprodukte und zuletzt gehypt wegen der Abnehmspritze Wegovy. Doch die Erfolgsstory hat Risse bekommen.
Der Umsatz wächst nicht mehr wie gewohnt, die Konkurrenz – etwa Eli Lilly – ist aufgeschlossen. Hinzu kommen politische Risiken: Die US-Regierung will Medikamentenpreise drücken, und das traditionell enge Verhältnis zu den USA ist seit dem diplomatischen „Grönland-Versprecher“ spürbar gestört.
An der Börse hat sich der Frust längst entladen: Seit Jahresbeginn hat die Aktie fast 19 Prozent verloren. Das ist mehr als ein Warnsignal für Investoren – das ist eine Einladung für Aktivisten.
Einfluss trotz Stiftungsmacht?
Doch der Plan von Parvus hat einen Haken. Einen großen. Novo Nordisk gehört zwar an der Börse den Aktionären – doch kontrolliert wird das Unternehmen von der Novo Nordisk Foundation.
Diese hält rund 75 Prozent der Stimmrechte über die Holding Novo Holdings A/S. Wer CEO wird, entscheidet nicht der Kapitalmarkt, sondern der Stiftungsrat.
Parvus müsste also nicht nur über fünf Prozent hinauswachsen – sondern eine Struktur angreifen, die auf langfristige Kontrolle angelegt ist.
Und das in Dänemark, wo Stiftungsmodelle traditionell hohe politische und gesellschaftliche Akzeptanz genießen. Auf Konfrontation mit der Stiftung zu gehen, könnte sich daher als riskant erweisen – auch reputativ.

Wegovy, Ozempic – und die große Unsicherheit
Hinzu kommt: Auch wenn Produkte wie Wegovy und Ozempic Umsatztreiber sind, stehen sie zunehmend unter Beobachtung. Gesundheitsbehörden und Krankenkassen sehen die Kostenexplosion kritisch. Der Druck, klinische Wirksamkeit langfristig zu belegen und Preissenkungen zu akzeptieren, wächst.
Die Pipeline ist zwar gut gefüllt, aber nicht überragend. Sollte das Momentum bei den Blockbustern kippen, fehlt kurzfristig der Ersatz. Das macht Novo anfällig – nicht nur für Kursverluste, sondern auch für disruptive Forderungen von außen.
Parvus bleibt keine Zeit
Falls Parvus tatsächlich Einfluss nehmen will, bleibt nur ein schmales Zeitfenster: Der Nachfolgeprozess für Jørgensen läuft – aber nicht unbegrenzt. Und je näher die Entscheidung rückt, desto geringer wird der Handlungsspielraum. Noch ist unklar, ob Parvus nur pokert – oder auf eine konfrontative Kampagne vorbereitet ist. Möglich wäre beides.
In London wird Parvus als entschlossener, aber diskreter Akteur gesehen. Keine klassischen Rabauken-Investoren, sondern Analysten mit Plan. Doch bei Novo Nordisk treffen sie auf ein Bollwerk. Und auf ein Unternehmen, das traditionell stärker nach innen als nach außen hört.
Ein System unter Beobachtung
Was bleibt, ist ein interessanter Testfall. Können Hedgefonds in Europa noch Einfluss auf stiftungsgeführte Großkonzerne ausüben? Und wie reagiert die Börse, wenn ein traditionsreiches Unternehmen unter Druck gerät – nicht wegen schlechter Zahlen, sondern wegen offener Flanken in der Governance?
Die Aktie reagierte prompt auf die Parvus-Meldung – plus 3,5 Prozent in Kopenhagen. Doch ob das die Trendwende ist oder nur ein kurzes Zwischenhoch, wird sich erst zeigen, wenn die Stiftung ihre Entscheidung getroffen hat. Und Parvus sagt, was es wirklich will.
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