Ein und derselbe Beruf, aber zwei verschiedene Welten
Pilot werden – für viele noch immer ein Kindheitstraum. Doch wer sich heute bei der Lufthansa-Gruppe bewirbt, muss sich mehr denn je entscheiden, wo er landet: auf dem linken Sitz der Kernmarke – oder im Cockpit von Eurowings.
Denn obwohl beide denselben Luftraum teilen, klaffen am Boden die Gehälter weit auseinander. Und das ist kein Betriebsgeheimnis, sondern Teil der Unternehmensstrategie.
Kernmarke = Königsklasse
Einsteiger bei Lufthansa beginnen als First Officer mit einem Fixgehalt von 88.600 Euro jährlich. In der höchsten Gehaltsstufe winken als Kapitän sogar 281.300 Euro – exklusive Zuschläge.
Rechnet man Zusatzvergütungen für Mehrflugstunden, Ausbildung oder Gewinnbeteiligung hinzu, können erfahrene Langstreckenpiloten auch über 300.000 Euro im Jahr verdienen.
Zum Vergleich: Bei Eurowings starten Nachwuchs-Piloten mit 70.200 Euro – fast 20.000 Euro weniger. Und auch in der Spitze bleibt es deutlich überschaubarer: Maximal 202.300 Euro Fixgehalt als Kapitän, und selbst mit Zulagen bleibt man weit hinter der Kranich-Elite zurück.
Die Rechnung kommt nach dem Abheben
Die Ausbildung an der European Flight Academy (EFA), der hauseigenen Pilotenschule, kostet rund 120.000 Euro. Doch Lufthansa hat das Modell reformiert: Bewerber müssen nur noch 10.000 Euro Eigenkapital mitbringen, der Rest wird vorfinanziert.

Die Rückzahlung beginnt erst, wenn das Gehalt über 30.000 Euro brutto liegt. Eine faire Lösung – sofern der Weg zur Kernmarke gelingt.
Karriere mit Stallorder
Die Realität aber ist komplexer. Denn längst werden viele Kurzstreckenflüge nicht mehr von Lufthansa selbst, sondern von City Airlines und Eurowings Europe durchgeführt – mit neuen Tarifverträgen, niedrigeren Gehältern und begrenzteren Aufstiegschancen.
Der lukrative Karrierepfad über Senioritätsstufen zur Kapitänsstelle ist dort nicht garantiert – ein strukturelles Problem für Nachwuchspiloten.
„Es gibt eine Zweiklassengesellschaft“
Gerald Wissel, Luftfahrtexperte von Airborne Consulting, bringt es nüchtern auf den Punkt:
„Bei Lufthansa gibt es eine klare Zweiklassengesellschaft – beim Geld, aber auch bei den Rechten.“
Während Piloten der Kernmarke früher auf eine Mindestflottengröße pochen konnten – ein entscheidender Faktor für Karriereplanung und Flugstunden – wurde diese Perspektivvereinbarung in der Pandemie ersatzlos gestrichen. Und auch eine Neuauflage steht bislang nicht in Aussicht.
City Airlines – die Sparversion in Kranichfarben
Lufthansa versucht inzwischen, die hohen Gehälter der Kernmarke durch ein neues Modell zu umgehen. City Airlines, ein neuer Ableger mit Airbus-A220-Flotte, übernimmt zunehmend innerdeutsche und europäische Verbindungen.
Das Produkt bleibt das gleiche – doch die Piloten sind günstiger, flexibler, tariflich schwächer gestellt. Ein cleverer Schachzug aus Managementsicht – aber einer, der für zunehmenden Frust sorgt.
Mehr Papierkram, weniger Kontrolle
Auch der Arbeitsalltag verändert sich. Laut Wissel klagen viele Piloten darüber, dass sie weniger Einfluss auf ihren Dienstplan haben – das sogenannte Requesten wird schwieriger. Gleichzeitig nimmt der administrative Aufwand zu: Reporting, Checklisten, Dokumentationen – das Fliegen wird zum Nebenjob im eigenen Beruf.
Ein Konzern, viele Realitäten
So entsteht ein Flickenteppich aus Tarifverträgen, Karrierewegen und Vergütungsmodellen. Die Lufthansa-Gruppe beschäftigt Pilotinnen und Piloten in verschiedenen Airlines – mit zum Teil völlig unterschiedlichen Regeln. Dabei fliegen sie oft dieselben Flugzeuge, in denselben Uniformen, mit denselben Passagieren an Bord. Der Unterschied liegt nur im Vertrag.
„Raus aus dem Tarif-Wirrwarr“
Luftfahrtexperten fordern ein klares, transparentes System. Auch Gerald Wissel sieht Reformbedarf: „Niemandem soll etwas weggenommen werden – aber mittelfristig braucht Lufthansa ein modernes, verständliches Vergütungssystem.“ Denn die nächste Generation steht schon bereit. Und sie wird fragen, warum zwei Piloten mit derselben Lizenz so unterschiedlich bezahlt werden.
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