Der Krieg erreicht Russlands Energieherz
Es ist eine Szene, die Russlands Wirtschaft ins Wanken bringt: Ukrainische Drohnen fliegen im Morgengrauen über die Wolga, Ziel ist eine Gazprom-Raffinerie im südrussischen Salawat. Sekunden später: Explosion, Flammen, schwarzer Rauch über der Stadt. Es war einer jener Angriffe, die Wladimir Putin mehr treffen als viele westliche Sanktionen.
Denn die Raffinerien sind das Rückgrat seiner Kriegsfinanzierung. Öl und Gas bringen Russland rund 30 Prozent aller Staatseinnahmen – ohne sie lässt sich der Krieg gegen die Ukraine kaum bezahlen. Doch genau dieses Fundament beginnt nun zu bröckeln.
Einbrechende Exporte – Milliardenverluste täglich
Laut Berechnungen des finnischen Forschungsinstituts Centre for Research on Energy and Clean Air (CREA) sind Russlands Einnahmen aus dem Export fossiler Brennstoffe im September auf 546 Millionen Euro pro Tag gefallen – der niedrigste Wert seit Beginn der Invasion.
Noch vor einem Jahr lagen die Zahlen deutlich höher. Besonders der Export veredelter Produkte wie Benzin, Diesel oder Naphtha stürzt ab. Laut bisher unveröffentlichten CREA-Daten sank der Benzinexport um fast 70 Prozent, Treibstoff für Schiffe um 35, Diesel um elf.
„Die Ukraine hat in diesem Jahr so viele Raffinerien getroffen wie nie zuvor“, erklärt CREA-Analyst Petras Katinas. Etwa 40 große Anlagen gibt es zwischen Kaliningrad und Kamtschatka – die Hälfte davon wurde bereits beschädigt oder zerstört.
Brüssel zieht die Daumenschrauben an
Während die Drohnen Putins Raffinerien treffen, greift die Europäische Union politisch durch. Zum ersten Mal hat Brüssel ein Importverbot für russisches Flüssiggas ab 2027 beschlossen. Länder wie Spanien, Frankreich und die Niederlande sollen dann aus langfristigen Verträgen aussteigen können.
Gleichzeitig geht die EU härter gegen sogenannte Schattentanker vor – Schiffe, die ohne Transponder russisches Öl transportieren und den Preisdeckel umgehen. 117 neue Tanker wurden kürzlich auf die Sanktionsliste gesetzt, insgesamt sind nun 557 Schiffe gesperrt. Sie dürfen keinen europäischen Hafen mehr anlaufen.
Die Strategie ist klar: Russland darf weiter liefern, aber nur zu Preisen, die dem Kreml wenig bringen. Der Druck auf Putins Exportmaschinerie wächst – und das ausgerechnet in einem Moment, in dem die russische Wirtschaft ohnehin schwächelt.

Der IWF wird pessimistischer
Der Internationale Währungsfonds hat seine Wachstumsprognose für Russland im laufenden Jahr bereits gesenkt – von 0,9 auf 0,6 Prozent. Im Vorjahr lag das Plus noch bei über vier Prozent. Offiziell begründet wird das mit sinkenden Energieerlösen und anhaltender Kapitalflucht. Inoffiziell ist klar: Moskau spürt die Folgen seiner Isolation zunehmend im Alltag.
Selbst in Russland berichten lokale Medien über Dieselknappheit und steigende Preise an Tankstellen. Der Kreml reagierte mit Exportverboten für Benzin und Diesel, um die eigene Versorgung zu sichern – ein Schritt, der die Einnahmen zusätzlich belastet.
Washingtons neuer Druck: Trump greift durch
Während Europa sanktioniert, zieht nun auch Washington die Schrauben an. Der US-Präsident hat Sanktionen gegen Rosneft und Lukoil, die beiden größten russischen Ölkonzerne, verhängt. Ihre Vermögenswerte in den USA sollen eingefroren werden, Geschäfte mit amerikanischen Unternehmen sind verboten.
Für Putin ist das der dritte Schlag – und womöglich der gefährlichste. Denn die US-Maßnahmen zielen direkt auf die Logistik, Finanzierung und Versicherungsstruktur seiner Rohstoffexporte. Zwar könnten Ausnahmeregelungen einigen Ländern, etwa Ungarn unter Viktor Orbán, vorübergehend Schlupflöcher bieten – doch der Trend ist eindeutig: Der Westen kappt Russlands Energieadern systematisch.
Ein Sturm, den Putin nicht kontrollieren kann
Putins Macht fußt seit zwei Jahrzehnten auf Öl und Gas. Nun erlebt er, wie diese Säulen gleichzeitig ins Wanken geraten – durch Drohnenangriffe, durch EU-Sanktionen, durch US-Druck. Der Kreml verliert nicht nur Einnahmen, sondern auch das Gefühl der Kontrolle über sein wichtigstes Machtinstrument.
Noch fließt Geld. Aber der Spielraum schrumpft. Und in Moskau wächst die Angst, dass aus wirtschaftlichem Druck politischer werden könnte.
Russlands Schatzkammer leert sich – und der „perfekte Sturm“ über dem Ölreich hat gerade erst begonnen.

