02. Juli, 2025

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Doppelt so viel Gewinn – warum Europas Konzerne gegenüber den USA zurückfallen

Amerikas Unternehmen glänzen mit Rekordgewinnen, Europas Konzerne kämpfen mit Währungsproblemen, schwacher Nachfrage – und hausgemachten Strukturen. Die Lücke wird größer. Viel größer.

Doppelt so viel Gewinn – warum Europas Konzerne gegenüber den USA zurückfallen
Während die 500 größten US-Konzerne 1,3 Billionen Euro Gewinn verbuchen, bleiben Europas Top-500 mit 616 Milliarden deutlich zurück – Tendenz: weiter auseinandergehend.

1,3 Billionen Dollar Gewinn – und Europa sieht alt aus

US-Konzerne haben im vergangenen Jahr so viel verdient wie nie zuvor: 1,3 Billionen Euro Nettogewinn stehen in den Bilanzen der 500 größten börsennotierten US-Unternehmen.

Gleichzeitig schrumpften die Gewinne der 500 größten Konzerne Europas um fünf Prozent – auf magere 616 Milliarden Euro. Die Differenz ist dramatisch. Und sie wird in diesem Jahr voraussichtlich noch größer.

US-Binnenmarkt schlägt Europas Hängepartie

Was steckt dahinter? In den USA boomt der Binnenkonsum – viele Unternehmen haben sich seit der Pandemie erfolgreich auf den Heimatmarkt fokussiert. 87,5 Prozent der Gewinne werden dort inzwischen im Inland erzielt.

In Europa sieht das anders aus: Unsicherheit, schwache Nachfrage und eine stagnierende Wirtschaft bremsen die Gewinnentwicklung.

Hinzu kommt: Während sich der S&P 500 nur moderat entwickelte, legten europäische Indizes wie der DAX oder der Euro Stoxx deutlich stärker zu. Doch dieser Kursaufschwung basiert weniger auf glänzenden Geschäftszahlen – sondern auf Nachholeffekten und günstigeren Bewertungen.

Apple, Microsoft, Amazon, Meta, Alphabet und Nvidia stehen für 441 Milliarden Euro – Europas Konzerne haben nichts Vergleichbares entgegenzusetzen.

Tech-Dominanz: Sechs Firmen, ein Drittel der US-Gewinne

Ein erheblicher Teil der amerikanischen Gewinne geht auf das Konto von nur sechs Tech-Giganten: Apple, Microsoft, Alphabet, Amazon, Meta und Nvidia. Gemeinsam steuerten sie im abgelaufenen Geschäftsjahr 441 Milliarden Euro Gewinn bei – rund ein Drittel des gesamten US-Ertrags.

In Europa gibt es kein Pendant zu dieser Machtkonzentration. Weder im Bereich Innovation noch Skalierung erreichen europäische Konzerne vergleichbare Gewinnmargen. Und selbst globale Player wie SAP oder ASML bewegen sich in einer anderen Liga – schon allein, weil der Binnenmarkt kleiner und fragmentierter ist.

Währungsfalle Euro: Gewinne schmelzen bei der Umrechnung

Als wäre das nicht genug, belastet die Aufwertung des Euros die Bilanz europäischer Unternehmen zusätzlich. Seit Jahresbeginn hat die Gemeinschaftswährung gegenüber dem Dollar um 13 Prozent zugelegt – was Exportgüter teurer macht und Umsätze im Dollar-Raum bei Rückumrechnung drückt.

Beispiel LVMH: Der Luxusgüterkonzern musste allein im ersten Quartal 320 Millionen Euro Umsatzabschlag durch die Euro-Stärke hinnehmen. Auch Infineon bekam die Entwicklung zu spüren und senkte seine Jahresziele deutlich – obwohl das operative Geschäft weitgehend stabil blieb.

Kursrallye trotz Schrumpfkurs

Paradox: Obwohl Europas Unternehmen bei Gewinnen und Wachstum zurückliegen, entwickeln sich die Börsenkurse teilweise besser als in den USA. Seit Jahresbeginn stieg der DAX um 20 Prozent, während der Dow Jones nur drei Prozent zulegte.


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Doch das Bild täuscht. Der Bewertungsabschlag europäischer Aktien gegenüber US-Titeln ist historisch hoch – viele Analysten sehen hier lediglich eine temporäre Gegenbewegung. Die Substanz aber fehlt: schwache Margen, schleppende Digitalisierung, unsichere Standortpolitik.

Deutschland als Wackelpfeiler Europas

Besonders kritisch ist die Lage in Deutschland. Nach zwei Rezessionsjahren droht 2025 ein drittes – selbst die Bundesbank hält ein weiteres Schrumpfen der Wirtschaftsleistung für möglich.

Das hätte massive Auswirkungen: Deutsche Unternehmen trugen im Vorjahr 97 Milliarden Euro zum europäischen Nettogewinn bei – mehr als jedes andere Land. Fällt dieser Pfeiler weg, gerät der gesamte Kontinent ins Wanken.

Zollpolitik als Risikofaktor – oder Vorwand?

Hinzu kommt die Zollunsicherheit. US-Präsident Donald Trump droht mit einer Verdopplung der EU-Zölle, sollte bis zum 9. Juli keine Einigung erzielt werden. Kommt es tatsächlich zu Zöllen von 20, 30 oder gar 50 Prozent, würden europäische Exporteure auf dem wichtigen US-Markt an Boden verlieren.

Die Folgen wären nicht nur ökonomisch, sondern auch psychologisch erheblich – denn viele europäische Unternehmen haben sich nach wie vor nicht ausreichend auf geopolitische Risiken eingestellt. Ein alter Fehler in neuem Gewand.

Europa hat ein Gewinnproblem – kein Bewertungsproblem

Europas Konzerne sind nicht grundsätzlich schwächer, aber strukturell benachteiligt: geringere Margen, fragmentierte Märkte, weniger Innovation, dazu eine politische Unsicherheit, die Investitionen lähmt. Der starke Euro verschärft die Lage – zur Unzeit.

Während die USA wirtschaftlich Tempo machen und ihre Tech-Riesen weiter skalieren, zögert Europa. An der Börse lässt sich das für eine Weile überspielen. In der Gewinn- und Verlustrechnung aber zählt nur das Ergebnis. Und das ist eindeutig.

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