Was schiefgeht, wenn alles einfach scheint
ETFs sind das Lieblingsprodukt der Privatanleger – und gelten als ideales Vehikel für langfristigen Vermögensaufbau. Doch genau diese vermeintliche Einfachheit ist trügerisch.
Als Redaktion der InvestmentWeek haben wir die gängigsten Fehler analysiert, die Investoren beim Umgang mit Indexfonds immer wieder machen. Das Ergebnis: Es sind nicht komplexe Derivate oder steuerliche Feinheiten, die Anlegern schaden – sondern klassische Denkfehler, die sich leicht vermeiden ließen.
Im Folgenden zeigen wir, welche ETF-Fehler am häufigsten auftreten, warum sie teuer werden können – und wie es besser geht.
1. Zu viele ETFs im Depot: Diversifikation wird zur Falle
„Breit gestreut, nie bereut“ – dieser Börsenrat ist gut gemeint, aber in der Praxis oft schlecht umgesetzt. Viele Anleger häufen ETF um ETF an, um ihr Portfolio zu diversifizieren. Was sie übersehen: Die Überschneidungen sind enorm.
Ein MSCI World ETF enthält bereits Apple, Microsoft, Amazon, Alphabet und Co. Wer zusätzlich noch den NASDAQ 100 oder einen US-Tech-ETF kauft, verdoppelt damit nicht die Chancen – sondern nur das Gewicht der üblichen Verdächtigen.
Hinzu kommen überflüssige Gebühren und administrative Komplexität. Sparraten müssen aufgeteilt, Gewichtungen laufend angepasst werden. Ein gut strukturierter ETF-Mix braucht nicht mehr als zwei bis drei globale Bausteine, um ein solides Fundament zu bilden.
2. Hektische Strategiewechsel: Kaufen aus Angst, verkaufen aus Panik
Gerade weil ETFs jederzeit handelbar sind, verleiten sie zu impulsivem Verhalten. Anleger springen von Trend zu Trend – heute KI, morgen Energie, übermorgen Schwellenländer. Die Folge: Mehr Transaktionskosten, weniger Ruhe.
Unser Fazit nach Gesprächen mit ETF-Analysten und Vermögensverwaltern: Wer ständig umschichtet, verfolgt keine Strategie – er reagiert nur auf Stimmungen. Dabei zeigt die Forschung seit Jahren: Langfristiges Halten schlägt hektisches Market Timing – fast immer.

Das bedeutet nicht, dass man nie nachjustieren sollte. Aber: Anpassung ja, Aktionismus nein. Wer sein Depot wie ein Sparvertrag behandelt und nicht wie ein Börsenticker, ist klar im Vorteil.
3. Erträge falsch genutzt: Thesaurierung oder Ausschüttung – eine Entscheidung mit Folgen
Die Frage, ob man ETFs wählt, die Dividenden ausschütten oder automatisch reinvestieren, wird oft unterschätzt. Dabei hat sie nicht nur emotionale, sondern auch steuerliche und strategische Folgen.
Thesaurierende Fonds profitieren vom Zinseszinseffekt – ideal für den langfristigen Vermögensaufbau. Ausschüttende Varianten können motivierend sein, vor allem für Anleger, die ein Zusatzeinkommen anstreben. Wer aber nicht aktiv reinvestiert, verschenkt Wachstumspotenzial.
Unser Tipp: Wer Vermögen aufbauen will, bleibt bei thesaurierend. Wer Vermögen verbrauchen will – etwa im Ruhestand – greift gezielt zu ausschüttenden Produkten. Aber nur bewusst, nie aus Zufall.
4. Zu viele Themen-ETFs: Faszination Trend schlägt Vernunft
Ein ETF auf Raumfahrt, Wasserstoff, Cannabis oder Elektroschrott – klingt aufregend. Und verkauft sich gut. Doch viele dieser Produkte sind kurzlebig, teuer und hochspezialisiert.
Studien zeigen: Mehr als die Hälfte der Themen-ETFs verschwinden binnen zehn Jahren wieder vom Markt. Viele starten auf dem Höhepunkt eines Hypes – dann aber kommt der Einbruch. Anleger, die spät einsteigen, zahlen oft die Euphorie der anderen.
Für den Core eines Depots eignen sich Themen-ETFs nicht. Wer unbedingt investieren will, sollte sie als Beimischung mit klarer Begrenzung halten – nicht als Basisstrategie.
5. Nur auf die Kosten schauen: Billig ist nicht automatisch besser
Die Gesamtkostenquote (TER) ist wichtig – aber nicht alles. Denn was viele übersehen: Selbst günstige ETFs können eine hohe Tracking-Differenz aufweisen, wenn sie ihren Index schlecht abbilden.
Zudem zählen Größe, Liquidität, Replikationsmethode und die Stabilität des Emittenten. Ein ETF, der 0,1 Prozent günstiger ist, aber dafür riskanter oder weniger transparent, ist keine gute Wahl.
Kosten vergleichen ja – aber bitte mit Blick aufs große Ganze.
6. Produkte nicht verstehen: ETFs sind nicht immer so simpel, wie sie scheinen
„Einfacher als ein ETF geht es nicht“ – sagen viele Broker in ihrer Werbung. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Synthetische Replikation, Währungsabsicherung, Smart-Beta-Strategien, Faktor-ETFs – all das ist für Einsteiger oft komplexer als gedacht.
Wer nicht weiß, was er kauft, läuft Gefahr, falsche Erwartungen zu haben – und falsch zu reagieren, wenn Märkte schwanken. Unser Ratschlag: Jedes Produkt verstehen, bevor investiert wird. Und keine Angst, bei Unklarheiten nachzulesen oder kritisch zu hinterfragen.
Der Weg zum besseren ETF-Depot beginnt mit Disziplin, nicht mit Action
Die gute Nachricht: All diese Fehler lassen sich vermeiden – ohne teure Berater, ohne besondere Tools. Sie erfordern vor allem eine klare Strategie, etwas Geduld – und das Wissen, was man nicht braucht. Denn gerade bei ETFs gilt: Weniger ist oft mehr.
Als Redaktion der InvestmentWeek begleiten wir die Entwicklung des ETF-Marktes seit Jahren. Was sich verändert hat: das Produktangebot. Was gleich geblieben ist: Die meisten Fehler entstehen nicht durch ETFs – sondern durch den Umgang damit.
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