Ein Projekt auf der Kippe
Es war als Meilenstein gedacht. Ein Ticket, ein Preis, ein Land – und der Einstieg in eine moderne, klimafreundliche Verkehrspolitik. Doch gerade einmal ein Jahr nach der Einführung gerät das Deutschlandticket ins Wanken.
Der Grund: eine Preiserhöhung von 49 auf 58 Euro – und die Folgen sind deutlich spürbar. Über eine Million Menschen haben ihr Ticket-Abo inzwischen gekündigt.
36 Prozent Rückgang bei jungen Leuten
Besonders bitter trifft es die wichtigste Zielgruppe: Junge Menschen zwischen 14 und 29 Jahren. In dieser Altersgruppe ist die Zahl der Nutzer um mehr als ein Drittel eingebrochen – ein alarmierender Wert.
Gerade sie waren es, die das Ticket zunächst begeistert aufgenommen hatten. Günstig, unkompliziert, deutschlandweit nutzbar – ein attraktives Angebot. Doch für viele ist die neue Preisgrenze schlicht zu hoch.
Auch das Jobticket schwächelt
Nicht nur die Privatkunden springen ab. Auch beim sogenannten Jobticket, das Unternehmen vergünstigt an ihre Mitarbeitenden weitergeben können, ist ein Rückgang zu verzeichnen.

Um rund 16 Prozent ist die Nutzung eingebrochen. Dabei hatte man in der Branche auf das genaue Gegenteil gehofft – mehr Firmen, mehr Abonnenten, mehr Einnahmen. Der Effekt blieb aus.
Politik ohne Plan
Statt Lösungen: Uneinigkeit. Während Bund und Länder weiter um die Finanzierung des Tickets ringen, laufen die Kunden davon. Aktuell ist die Finanzierung nur bis Ende 2025 gesichert – und selbst das ist angesichts der angespannten Haushaltslage alles andere als garantiert.
Dabei ist es genau diese Unsicherheit, die die Akzeptanz untergräbt. Wer ein monatlich kündbares Abo hat, denkt zweimal nach, bevor er verlängert – besonders, wenn nicht klar ist, ob der Preis bald wieder steigt.
Verkehrsunternehmen schlagen Alarm
Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) warnt: Wenn das Deutschlandticket ein Erfolg bleiben soll, brauche es „Verlässlichkeit und Berechenbarkeit“. Sprunghafte Preiserhöhungen wie zu Jahresbeginn dürfe es nicht mehr geben.
Stattdessen solle man auf moderate, transparente Anpassungen setzen. Auch die dauerhafte Finanzierung müsse gesichert werden – alles andere sei „Gift für das Vertrauen der Kunden“.
Der Koalitionsvertrag klingt anders
Tatsächlich hatten SPD und Union in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass das Ticket „über 2025 hinaus“ fortgesetzt wird – Preissteigerungen sollten erst ab 2029 möglich sein, schrittweise und sozialverträglich.
Doch Papier ist geduldig. Die jüngste Preiserhöhung kam schneller, höher und ohne große Vorwarnung. Dass viele Menschen das nicht einfach hinnehmen, überrascht nicht.
Was jetzt nötig wäre
Klar ist: Ein stabiler Preis allein wird nicht reichen. Die Nutzer wollen mehr als ein Pauschalversprechen. Sie wollen Sicherheit, faire Bedingungen und ein Angebot, das sich lohnt.
Denkbar wäre etwa eine Staffelung des Preises nach Einkommen oder Alter – etwa mit einem gesonderten Jugend- oder Sozialticket. Auch regionale Ergänzungen könnten helfen, die Attraktivität zu erhöhen.
Ein Vorzeigeprojekt in der Krise
Noch ist nicht alles verloren. Mit über 13 Millionen Abonnenten ist das Deutschlandticket nach wie vor eines der größten Mobilitätsprojekte der letzten Jahrzehnte.
Doch der jüngste Nutzerschwund zeigt: Die Spielräume schrumpfen. Ohne politischen Rückhalt, verlässliche Finanzierung und ein besseres Preisverständnis droht das Projekt zu scheitern – und damit ein zentrales Element der deutschen Verkehrswende.
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