18. September, 2025

Märkte

Deutsche Prothesen für Russlands Kriegsversehrte – ein boomendes Geschäft

Deutsche Hersteller liefern so viele Prothesen und künstliche Gelenke nach Russland wie nie seit Beginn des Ukraine-Kriegs. Unter dem Deckmantel humanitärer Ausnahmen entsteht ein lukrativer Markt – doch er wirft heikle Fragen auf.

Deutsche Prothesen für Russlands Kriegsversehrte – ein boomendes Geschäft
375 Millionen Euro Medizintechnik: Deutsche Hersteller liefern so viel wie nie seit Kriegsbeginn nach Russland, obwohl die Sanktionen eigentlich Härte signalisieren sollen.

Boom im Schatten des Krieges

Während russische Soldaten an der Front massenhaft verletzt werden, steigt der Bedarf an Prothesen sprunghaft an. Nach Daten des Statistischen Bundesamts exportierte Deutschland allein im ersten Halbjahr 2025 Medizintechnik-Produkte im Wert von 375 Millionen Euro nach Russland – mehr als in jedem Halbjahr seit Ausbruch des Krieges.

Besonders auffällig: Die Warengruppe „Prothesen und Waren der Prothetik“ legte um rund 40 Prozent zu.

Für deutsche Unternehmen ist es ein lukrativer Markt. Für Beobachter hingegen zeigt sich ein Dilemma: Medizintechnik ist von Sanktionen ausgenommen, um zivile Opfer nicht zusätzlich zu belasten. Doch in der Realität könnte ein erheblicher Teil der Produkte bei versehrten Veteranen landen – also bei jenen, die für Putins Krieg eingesetzt wurden.

Menschliche Tragödie trifft auf wirtschaftliche Realität

Ein Rehabilitationsmediziner in Berlin, der aus Angst vor Repression anonym bleiben möchte, berichtet von ukrainischen Patienten, die mit identischen Prothesenmodellen versorgt werden wie in russischen Militärlazaretten:

„Es sind Standardprodukte deutscher Hersteller. Jeder weiß, dass diese Ware auch an Soldaten geht.“

Die offiziellen Zahlen unterstreichen den Trend: Allein künstliche Gelenke im Wert von 22 Millionen Euro gingen im ersten Halbjahr nach Russland, ein Anstieg von fast 16 Prozent gegenüber 2024. Der Export medizinischer Großgeräte wie MRTs und Ultraschall hingegen brach ein – hier greifen die Exportkontrollauflagen deutlich stärker.

Prothesen aus Deutschland für Russland: Der Export von künstlichen Gliedmaßen stieg im ersten Halbjahr 2025 um 40 Prozent – mitten im Krieg gegen die Ukraine.

Profit statt Prinzipien?

Hersteller wie Siemens Healthineers weisen Vorwürfe zurück. Der Konzern betont, dass der Umsatzanteil in Russland seit 2021 von über einem Prozent auf inzwischen unter ein Prozent des Weltumsatzes gefallen sei. Zudem würden „keine russischen Militärkrankenhäuser“ beliefert. Branchenverbände schweigen.

Doch die nackten Exportzahlen sprechen eine andere Sprache: Noch nie seit 2020 hat Deutschland so viel Medizintechnik nach Russland geliefert wie in diesem Jahr. Branchenexperten vermuten, dass vor allem mittelständische Anbieter profitieren, die weniger im Rampenlicht stehen und ihre Lieferungen auf die humanitäre Ausnahme stützen.

Politische Brisanz

Die Dimension ist heikel. Denn während die Bundesregierung Waffen an die Ukraine liefert, verdienen deutsche Unternehmen zugleich an den Kriegsversehrten des Aggressors. Alexander Gabuev vom Carnegie Russia Eurasia Center formulierte es jüngst so:

„Russland ist in vielen Bereichen inzwischen vollständig von China abhängig – bei Medizintechnik aber bleibt der Westen ein entscheidender Lieferant.“

Die Folge: Ein paradoxes Bild, das an der Glaubwürdigkeit der Sanktionspolitik kratzt. Offiziell sollen russische Strukturen geschwächt werden. Inoffiziell halten deutsche Unternehmen den Betrieb in wichtigen medizinischen Bereichen am Laufen.

Ein Markt ohne Obergrenze?

Ob der Exportboom anhält, hängt auch von politischen Entscheidungen ab. Sanktionen für Medizintechnik sind bislang tabu – aus moralischen Gründen. Doch je länger der Krieg dauert, desto drängender wird die Frage, ob das Geschäft mit Prothesen für russische Kriegsversehrte wirklich ein humanitärer Akt oder schlicht ein Geschäft auf Kosten der eigenen Prinzipien ist.

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