19. September, 2025

Unternehmen

Der unmöglichste Job Deutschlands – warum niemand die Bahn führen will

Die Deutsche Bahn sucht fieberhaft nach einem Nachfolger für den entlassenen Vorstandschef Richard Lutz. Doch wer will einen Posten übernehmen, der von Schulden, Politik und Dauerkrisen geprägt ist – und in dem jeder Fehler sofort öffentlich wird?

Der unmöglichste Job Deutschlands – warum niemand die Bahn führen will
Milliardenschulden – Die Deutsche Bahn ist mit über 30 Milliarden Euro verschuldet, ein Ballast für jeden neuen Vorstandschef.

Ein Konzern im Dauerstress

Die Bahn ist nicht nur ein Verkehrsbetrieb, sie ist eine nationale Dauerbaustelle. Pünktlichkeitsprobleme, Milliardenschulden, politische Einflussnahme und ein ramponiertes Image machen den Job des Vorstandsvorsitzenden zu einem Schleudersitz. Dass sich die Suche nach einem Nachfolger zäh gestaltet, überrascht da kaum.

Verkehrsminister Patrick Schnieder (CDU), der Lutz im August absetzte, will bis zum 22. September seine Strategie für die Bahn vorstellen – idealerweise mit einem neuen Gesicht an der Spitze. Ob sich bis dahin jemand findet, bleibt fraglich.

Gehalt oder Schmerzensgeld?

Wirtschaftspsychologen sprechen offen von „Schmerzensgeld“. Denn die Bahn zahlt für die Dimension ihrer Probleme vergleichsweise wenig. Lutz verdiente zuletzt 2,1 Millionen Euro – weniger als ein Drittel des Durchschnitts im DAX. Zum Vergleich: SAP-Chef Christian Klein erhielt 2024 rund 19 Millionen Euro.

Personalberater wie Heiner Thorborg warnen: Mit solch „kleinlichen Gehältern“ lockt man kaum Spitzenmanager, die bereit sind, sich in einem hochpolitischen Umfeld aufzureiben. Schnieder winkt zwar ab – niemand werde bei der Bahn verarmen –, doch die Kluft zu Konzernchefs der Privatwirtschaft ist unübersehbar.

Prestige als Anreiz – oder Risiko

Headhunter sehen dennoch Chancen. Für manche Manager sei eine Krise kein Abschreckungssignal, sondern eine Bühne. Wer in Berlin zwischen Politik, Gewerkschaften und Fahrgastverbänden vermittelt, kann Führungsstärke demonstrieren – und sich für noch höhere Ämter empfehlen.

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Dieter Frey, Leadership-Experte an der LMU München, spricht von einer „hochattraktiven Position“. Nicht trotz, sondern wegen der Vielzahl an Stakeholdern. Doch er warnt auch: Wer kurzfristige Erfolge sucht, wird bei der Bahn scheitern.

Gehalt im Vergleich – Ex-Chef Richard Lutz erhielt 2,1 Mio. Euro im Jahr – weit unter dem DAX-Durchschnitt von 6,3 Mio. Euro.

Interne Favoriten mit Hypothek

Die naheliegende Lösung wäre ein interner Aufstieg. Evelyn Palla, Chefin des Regionalverkehrs, oder Sigrid Nikutta, verantwortlich für den Güterverkehr, gelten als Kandidatinnen. Palla punktete zuletzt mit einem Gewinn von 108 Millionen Euro im Regionalgeschäft. Doch interne Beförderungen bergen die Gefahr, dass die Verantwortung für die Misere nicht wirklich neu verteilt wird.

Externe Hoffnungsträger

Die Bahngewerkschaft drängt deshalb auf frisches Blut. Namen wie Anna-Theresa Korbutt (Hamburger Verkehrsverbund), Peter Füglistaler (ehemals Schweizer Bundesamt für Verkehr) oder Andreas Matthä (ÖBB) kursieren. Sie alle bringen Erfahrung mit Transformationen und politisch aufgeladenen Organisationen mit.

Doch Externe müssen überzeugt werden. Neben Geld geht es um Machtbasis: Die Möglichkeit, eigene Vertraute mitzubringen, gilt als entscheidender Faktor. Ohne vertrautes Team ist ein Manager im Bahnvorstand schnell isoliert.

Werte und Visionen statt nur Zahlen

Ein Aspekt könnte den Unterschied machen: Purpose. Nachhaltigkeit, Klimaschutz und die Rolle der Bahn in der Verkehrswende könnten für Führungskräfte ein stärkerer Anreiz sein als Boni. Wer sich damit identifizieren kann, findet Sinn in einem Job, der sonst nur von Problemen dominiert wird.

Die Bahn braucht mehr als nur einen Manager mit Nervenstärke. Sie braucht eine Persönlichkeit, die bereit ist, Prestige gegen öffentlichen Dauerbeschuss einzutauschen. Der Posten ist ein Machtzentrum – und ein Schleudersitz zugleich. Wer ihn übernimmt, schreibt nicht einfach Karriere. Er schreibt Geschichte – im besten oder im schlechtesten Sinne.

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