Der Schattenhandel der Superreichen
Wenn in Berlin im Juni die globale Private-Equity-Elite zur SuperReturn zusammenkommt, wird ein Thema dominieren, das noch immer unter dem Radar der Öffentlichkeit läuft: Secondary Deals.
Das klingt harmlos – ist aber eines der zentralen Spielfelder im modernen Finanzkapitalismus. Investoren verkaufen dabei Beteiligungen an Private-Equity-Fonds oder direkt an nicht-börsennotierten Unternehmen weiter – nicht an der Börse, sondern im Hinterzimmer.
Mittendrin: Revolut, das Londoner Fintech, das die Kundenzahlen traditioneller Banken alt aussehen lässt – und inzwischen mit 60 Milliarden Dollar bewertet wird.
Gründer Nikolay Storonsky gilt als einer der umtriebigsten Akteure der Branche, seine App als radikal effizient, seine Ambitionen als grenzenlos. Doch nicht nur die App sorgt für Aufsehen – sondern die Art und Weise, wie um Anteile an seinem Unternehmen gefeilscht wird.
Eine Bewertung – drei Transaktionen
Was kaum öffentlich diskutiert wird: Revolut-Anteile haben allein in den letzten sechs Monaten mehrfach die Besitzer gewechselt – zu immer höheren Bewertungen.
Im Herbst 2024 lag der Preis bei rund 45 Milliarden Dollar, Anfang 2025 waren es schon 60 Milliarden. 167 Millionen Dollar wurden über sogenannte Secondaries bewegt, ohne dass das Unternehmen selbst neue Aktien ausgegeben hätte.
Eine weitere Transaktion im April platzte kurz vor dem Abschluss. Warum? Offiziell äußert sich niemand. Inoffiziell ist von „Bewertungsdifferenzen“ die Rede – ein Euphemismus für: Käufer und Verkäufer kamen mit der aktuellen Marktlage nicht mehr zurecht.
Dass es um Revolut mehr dieser Deals gab als um jedes andere europäische Tech-Unternehmen, ist kein Zufall. Der Name zieht – aber die Ungewissheit über einen möglichen Börsengang sorgt für steigenden Handelsdruck im Graumarkt.
Warum Secondary-Deals jetzt boomen
Der Grund für den Boom ist strukturell. Private-Equity-Fonds wurden über Jahre mit Kapital überschüttet – durch institutionelle Investoren, Family Offices, Pensionsfonds.
Gleichzeitig verzögern sich viele Börsengänge, weil das makroökonomische Umfeld schwierig ist. Also versuchen Anteilseigner, vorzeitig Kasse zu machen – nicht über IPOs, sondern über Secondaries.
2023 lag das globale Handelsvolumen bei 152 Milliarden US-Dollar, ein Anstieg von 40 % gegenüber dem Vorjahr. 2026 könnten es laut Lazard über 200 Milliarden sein. Optimistischere Schätzungen erwarten bis zu 500 Milliarden Euro pro Jahr.
Doch das rasante Wachstum hat Nebenwirkungen – denn der Markt ist kaum reguliert, wenig transparent, und die Bewertungen entziehen sich klassischen Bewertungsmethoden.
Namen, die man sonst nur aus Wall Street-Protokollen kennt
Wer in diesem Markt mitmischt, liest sich wie das Who's who des Finanzadels: Partners Group, Schroders, Giano, Sequoia. Namen, die in öffentlichen IPO-Prozessen kaum auftauchen, in der Welt der Secondaries aber umso aktiver sind.
Die Deals sind hochkomplex, oft mehrschichtig strukturiert – und finden fast immer unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.
Christian Tönies, Partner bei der Kanzlei Poellath, bringt es auf den Punkt:
„Das Volumen der Secondaries hat eine kritische Größe erreicht.“
Übersetzt heißt das: Wer jetzt keinen Zugang zu diesem Markt hat, spielt in der obersten Private-Equity-Liga nicht mehr mit.
Ein wachsender Markt mit wachsendem Risiko
Je größer das Segment wird, desto kritischer wird die Frage nach Markttransparenz, Bewertungsstandards und Risiken für Investoren.
Viele Secondary-Käufer kaufen Fondsanteile aus zweiter oder dritter Hand – zu Preisen, die oft weit entfernt vom inneren Wert liegen. Die Datenlage ist dünn, der Zugang exklusiv, die Risiken asymmetrisch verteilt.
Was passiert, wenn Bewertungen wie bei Revolut kippen? Wenn ein geplantes IPO scheitert oder die nächste Finanzierungsrunde deutlich niedriger ausfällt? Die Verluste tragen oft nicht die Initiatoren, sondern die Nachzügler im Secondary-Karussell.
Und Revolut?
Offiziell schweigt das Unternehmen zu den Deals. Auch CEO Nikolay Storonsky äußert sich nicht. Er konzentriert sich auf neue Märkte – Mobilfunk, Krypto, KI – und peilt weiter den großen Sprung an: den Börsengang. Doch wann – oder ob überhaupt – dieser IPO kommt, bleibt unklar.
So lange bleibt Revolut ein Spielball im heißesten Marktsegment der Gegenwart. Und ein Beispiel dafür, wie viel Geld sich heute im Verborgenen bewegt – in einem System, das längst größer ist als die Börse.
Das könnte Sie auch interessieren:
