Fünf Stunden Fragen
Wenn Warren Buffett am Samstag in Omaha spricht, dann hört die Finanzwelt zu. Und das mehr denn je. Denn der 94-Jährige hat sich seit Monaten nicht zur Marktlage geäußert – weder zur Börsenkorrektur im April noch zur wirtschaftspolitischen Eskalation zwischen den USA und China.
Nun steht er auf der Bühne der Berkshire Hathaway Hauptversammlung, flankiert von Tausenden Anteilseignern – und mit einem Thema im Mittelpunkt, das selbst für Buffett ungewohnt explosiv ist: Was macht er mit den 334 Milliarden Dollar an Cash?
Ein Rekordpolster – aber keine Käufe?
Allein im letzten Jahr hat Berkshire Hathaway seine liquiden Mittel fast verdoppelt. Rund 134 Milliarden Dollar wurden netto aus Aktienverkäufen gezogen.
Doch anstatt wie früher beherzt einzusteigen – oder eigene Aktien zurückzukaufen – legte Buffett das Geld auf Halde. Die Cash-Reserven übersteigen inzwischen den Börsenwert von Coca-Cola.
Warum? Diese Frage wird das Herzstück der Hauptversammlung. Die Fans des „Orakels von Omaha“ erwarten ein Signal: Sucht Buffett nach einem Mega-Deal? Wartet er auf einen finalen Crash? Oder hat er das Vertrauen in die Bewertung des Marktes verloren?
Die neue Weltordnung bremst auch Buffett
Viele Beobachter fordern klare Worte zu Trumps neuer Zollpolitik. Denn die wirtschaftlichen Spannungen belasten nicht nur Exporteure, sondern treffen auch Buffetts Beteiligungen direkt:
- BNSF Railway, eine der größten US-Frachtbahnen, leidet unter sinkenden Handelsvolumina.
- Berkshire Hathaway Energy, ein Hoffnungsträger im Konzern, bezieht Solarkomponenten aus Asien – höhere Importzölle könnten Projekte verteuern oder stoppen.
- GEICO, der Versicherungsklassiker im Portfolio, sieht sich wachsendem Preisdruck gegenüber, auch durch schwankende Ersatzteilkosten bei Autos.
Steven Check, Adam Mead, David Kass – zahlreiche Buffett-Kenner fordern Einblicke in seine Sicht der wirtschaftlichen Zeitenwende.

Das Apple-Rätsel – warum Buffett verkauft hat
Fast zwei Drittel der Apple-Anteile hat Berkshire 2024 verkauft – zu einem Zeitpunkt, an dem der Kurs noch niedriger stand als jetzt. Doch 300 Millionen Aktien hält der Konzern weiterhin. Warum?
Das verbliebene Apple-Investment hat einen Wert von rund 50 Milliarden US-Dollar – doch der teilweise Verkauf verwirrt. War es ein strategischer Rückzug? Oder hat Buffett Vertrauen in die Zukunft des iPhone-Herstellers verloren?
Fondsmanager wie Darren Pollock oder Buchautoren wie Adam Mead sprechen offen von einer „60-Milliarden-Dollar-Frage“.
Nachfolgefrage drängt: Wer wird Berkshire wirklich führen?
Buffett hat zuletzt in seinen Aktionärsbriefen deutlich gemacht, dass Greg Abel als Nachfolger feststeht. Doch was Abel denkt, bleibt diffus. Aktionäre wollen wissen:
- Wird Abel ähnlich konservativ investieren?
- Wie will er Kapital allokieren?
- Was ist seine Vision für ein Berkshire ohne Buffett?
Larry Cunningham, Lawrence Rahbari und andere Investoren hoffen, dass Abel endlich selbst deutlicher auftritt – nicht als Schatten, sondern als Designierter einer der komplexesten Holdinggesellschaften der Welt.
Spart sich Buffett eine Krise zurecht?
Buffett selbst hat in der Vergangenheit betont, er investiere dann, „wenn andere zittern“. Berühmt: sein New-York-Times-Artikel von 2008, in dem er schrieb:
„Buy American. I Am.“
Jetzt, in einer Phase wachsender Volatilität, tut er – nichts.
Kapitalmarktexperten wie Bill Smead fragen: Was muss passieren, damit Buffett wieder kauft? Und: Ist die Strategie des „stillen Abwartens“ ein Altersphänomen – oder ein strategischer Schutzmechanismus in einer Zeit ökonomischer Polarisierung?
Die wichtigste Zahl ist keine – sondern ein Satz
Buffett hat immer wieder betont, dass geistige Unabhängigkeit wichtiger sei als Rendite. Doch gerade weil er so viele überzeugt hat, wünschen sich seine Anhänger nun Orientierung.
Es geht nicht nur um Apple, Zölle, Cash oder Greg Abel – es geht um ein letztes Kapitel. Eine Einordnung dieser seltsamen Zwischenzeit, in der vieles teuer, aber nichts mehr sicher scheint.
Wenn Buffett spricht, geht es immer auch ums Prinzip. Diesmal vielleicht sogar mehr denn je.
Das könnte Sie auch interessieren:
