Ein Hoffnungsschimmer aus Südkorea
Noch vor wenigen Wochen war bei Delivery Hero von Zuversicht kaum etwas zu spüren. Die Aktie des einst gefeierten DAX-Unternehmens verlor binnen Tagen fast ein Fünftel ihres Werts – ausgelöst durch enttäuschende Entwicklungen bei der südkoreanischen Tochter Baemin und zunehmenden Margendruck in der hart umkämpften MENA-Region.
Jetzt gibt es leise Signale der Besserung: Laut UBS hat Baemin im Juni Marktanteile zurückgewonnen. Ein kleines Detail mit großer Wirkung – die Aktie legte um fast sechs Prozent zu.
UBS bleibt optimistisch – trotz gesenktem Kursziel
UBS-Analyst Jo Barnet-Lamb stuft die jüngsten Daten aus Südkorea als ermutigend ein. Zwar senkte er das Kursziel leicht auf 38 Euro – das liegt aber immer noch rund 65 Prozent über dem aktuellen Xetra-Kurs. Entscheidend sei, dass sich Baemin aus seiner Talsohle kämpfe.
Denn ausgerechnet Südkorea, einst Hoffnungsträger in der Konzernstrategie von CEO Niklas Östberg, entwickelte sich zuletzt zum größten Bremsklotz. Die Rückeroberung von Marktanteilen dort ist für Delivery Hero mehr als ein regionaler Erfolg – sie könnte ein Signal an den Markt senden, dass die operative Kehrtwende machbar ist.
Baemin: Kleines Wachstum, große Bedeutung
Hinter der vermeintlich trockenen Nachricht steckt mehr Dynamik, als es scheint. Südkorea ist einer der wenigen Märkte, in denen Delivery Hero in direkter Konkurrenz mit einem starken einheimischen Player steht – in diesem Fall mit Coupang Eats.
Der dortige Preiskampf hat nicht nur die Margen erodiert, sondern auch Zweifel am gesamten Wachstumsnarrativ geweckt. Dass Baemin nun wieder zulegt, deutet darauf hin, dass man strategisch nachjustiert hat – etwa mit intelligenteren Rabattaktionen oder effizienteren Logistikprozessen. Konkrete Zahlen blieb UBS jedoch schuldig.
Dennoch: Ein Kursplus bei einem Tochterunternehmen, das über Monate hinweg enttäuschte, hat Signalwirkung – gerade in einem Umfeld, das wenig Geduld kennt.
MENA bleibt ein Pulverfass
Während Südkorea Hoffnung macht, brodelt es weiter in der MENA-Region. Hier liefern sich zahlreiche Anbieter einen ruinösen Preiskampf – insbesondere in Saudi-Arabien, wo lokale Player aggressiv expandieren.
Die Folge: hohe Kundenakquisitionskosten, steigender Lieferaufwand, bröckelnde Margen. Der Markt preist dieses Risiko längst ein – und verpasst Delivery Hero derzeit kaum noch Kredit für seine Portfoliobreite oder technologische Infrastruktur.
Das Unternehmen leidet unter dem, was man in Analystenkreisen als Bewertungs-Diskont für operative Unschärfe bezeichnet.
Ein strukturelles Vertrauensproblem
Die eigentliche Herausforderung für Delivery Hero liegt derzeit weniger im operativen Geschäft als im beschädigten Vertrauen des Kapitalmarkts. Der plötzliche Ausstieg aus Deutschland 2021, unklare Profitabilitätsziele und ein über Jahre hinweg inflationiertes Übernahmeverhalten haben bei vielen Investoren Spuren hinterlassen.
Analysten fragen sich: Wo steht Delivery Hero in drei Jahren? Lässt sich ein nachhaltiges EBITDA ohne laufende Subventionierung der Märkte überhaupt realisieren? Und wie glaubwürdig sind die Wachstumsziele nach den jüngsten Rückschlägen?
Niklas Östberg bleibt unter Druck
CEO Niklas Östberg steht intern wie extern unter wachsendem Druck, eine neue Erzählung für das Unternehmen zu liefern. Eine, die nicht mehr auf immer neue Märkte und Akquisitionen setzt, sondern auf klare, nachvollziehbare operative Fortschritte.
Der kurzfristige Erfolg bei Baemin könnte dabei ein Baustein sein – reicht aber nicht aus, um das strukturelle Misstrauen zu tilgen. Vielmehr braucht es belastbare Zahlen, strategische Klarheit und vor allem: ein Ende der permanenten Baustellen im Konzernportfolio.
Ein Chart, zwei Welten
Charttechnisch betrachtet, ist die Rückkehr an die 21-Tage-Linie ein erster Schritt. Für echte Trendfolger zählt aber erst eine nachhaltige Rückkehr über die 25-Euro-Marke. Alles darunter bleibt nervös, volatil und von News getrieben.
Für Mutige kann sich ein Einstieg lohnen – aber nur mit engem Risikomanagement.
Hoffnung ist (noch) kein Geschäftsmodell
Delivery Hero zeigt erste Lebenszeichen – und der Markt honoriert das prompt. Doch wer in der Aktie mehr als einen Trade sieht, sollte sich fragen, ob das Unternehmen seine strukturellen Schwächen wirklich im Griff hat. Der Fortschritt bei Baemin ist ein gutes Signal. Mehr aber auch nicht. Noch nicht.
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