08. Juli, 2025

Märkte

Chinas Gegensanktionen treffen Europas Medizintechnik

Mitten im Handelsstreit zieht Peking nach: Weil Brüssel chinesische Anbieter von Ausschreibungen ausschließt, verbietet China nun europäische Medizintechnik im Milliardenmarkt – ein Rückschlag für Konzerne wie Siemens Healthineers und Philips.

Chinas Gegensanktionen treffen Europas Medizintechnik
Exportstopp mit chirurgischer Präzision: Produkte aus EU-Fertigung über 5,3 Mio. Euro sind in China nun faktisch verboten – eine Maßnahme, die gezielt Europas Hightech trifft.

Handelskrieg auf Rezept

Die Zeiten, in denen Europas Medizintechniker in China als Premiumanbieter hofiert wurden, sind vorbei. Peking hat Gegensanktionen verhängt – gezielt, öffentlichkeitswirksam und mit chirurgischer Präzision.

Seit Sonntag dürfen EU-Unternehmen in China nicht mehr an Ausschreibungen teilnehmen, wenn die Auftragssumme 45 Millionen Yuan übersteigt – umgerechnet rund 5,3 Millionen Euro.

Die Maßnahme trifft nicht nur globale Player wie Siemens Healthineers, Philips oder Dräger, sondern auch eine gesamteuropäische Branche, die stark auf den Export ins Reich der Mitte setzt.

Was auf den ersten Blick wie ein Handelsdetail wirkt, ist in Wahrheit ein geopolitischer Schlagabtausch zwischen zwei Wirtschaftsmächten, der direkt in den Operationssaal führt.

Auf der einen Seite: Brüssel, das mit einem neuen Sanktionsinstrument chinesische Anbieter von europäischen Ausschreibungen ausschloss – unter Berufung auf die chronische Benachteiligung europäischer Firmen im chinesischen Vergabewesen. Auf der anderen Seite: China, das die EU-Maßnahmen als „protektionistisch“ bezeichnet und nun spiegelbildlich zurückschlägt.

Ein neues Kapitel im Systemwettstreit

Die EU-Kommission hatte am 20. Juni erstmals das sogenannte „Instrument für internationales Beschaffungswesen“ (IPI) angewandt – ein Mechanismus, der 2022 eingeführt wurde, um Staaten zur Öffnung ihrer Märkte zu bewegen.

Die Begründung: Europäische Anbieter hätten bei über 90 % der chinesischen Ausschreibungen keine realistische Chance. Man wolle nun Gleichheit im Zugang erzwingen. Die Maßnahme sollte dabei nicht pauschal gelten, sondern sich gezielt auf Ausschreibungen im Medizinbereich beziehen, bei denen chinesische Unternehmen klar bevorzugt würden.

China hat nun ebenfalls differenziert reagiert – zumindest auf dem Papier. Zwar werden EU-Produkte bei Ausschreibungen ausgeschlossen, aber nur dann, wenn sie aus der EU importiert wurden.

Marktzugang nur bei Gefolgschaft: Chinas Gegensanktionen zwingen europäische MedTech-Konzerne wie Siemens Healthineers zunehmend zur Produktion vor Ort – andernfalls droht Ausschluss.

In China produzierte Ware europäischer Hersteller ist nicht betroffen. Für viele Unternehmen bedeutet das: Wer am Markt bleiben will, muss seine Produktion noch stärker nach China verlagern. Ein wirtschaftliches Druckmittel, das politisch heikel ist – und ethisch Fragen aufwirft.

Siemens Healthineers im Fadenkreuz

Besonders hart trifft es Siemens Healthineers. Der DAX-Konzern erzielt laut Unternehmensangaben etwa 15 % seines Umsatzes in China – mit steigender Tendenz.

Produkte wie Magnetresonanztomografen oder Computertomografen, die bislang exportiert wurden, könnten durch die neuen Regeln aus dem Rennen fliegen – es sei denn, sie werden direkt vor Ort gefertigt. Auch Philips und andere europäische Hersteller von Beatmungsgeräten, chirurgischen Robotern oder bildgebender Diagnostik geraten unter Druck.

Obwohl China nicht offen von einem Handelskrieg spricht, ist die Richtung klar: Wer Marktanteile halten will, muss sich den Spielregeln Pekings beugen. Und wer sich verweigert, verliert – nicht nur Ausschreibungen, sondern strategisch wichtige Positionen in einem der größten Gesundheitssysteme der Welt.

Zwang zur Lokalisierung

Chinas Botschaft ist eindeutig: Internationale Firmen sind willkommen – solange sie lokal produzieren, Arbeitsplätze schaffen und ihre Technologie teilen. Für Europas Gesundheitsindustrie bedeutet das eine geopolitische Gratwanderung. Denn was kurzfristig nach einem Weg zurück in den Markt aussieht, könnte langfristig zur schleichenden Entkernung europäischer Technologieführerschaft führen.

Der Rückzug in protektionistische Muster ist dabei nicht nur eine chinesische Idee. Auch die USA verfolgen längst „Buy American“-Strategien.

Doch während Washington offen auf De-Globalisierung setzt, versucht Peking, seine Interessen unter dem Mantel des fairen Wettbewerbs durchzusetzen – aus Sicht europäischer Unternehmen ein höchst asymmetrischer Schlagabtausch.

Abwärtsspirale oder Verhandlungspoker?

Brüssel hatte gehofft, mit dem IPI-Instrument Druck auf China auszuüben – doch die Rechnung könnte nicht aufgehen. Statt Marktzugang gibt es nun Sanktionen. Und der politische Rückhalt für eine härtere Gangart ist in vielen Mitgliedsstaaten begrenzt, besonders dort, wo Wirtschaftsbeziehungen zu China systemrelevant sind.

Die EU steht vor einer unangenehmen Wahl: Entweder sie zieht die Maßnahmen durch und riskiert weitere Eskalation – oder sie kehrt an den Verhandlungstisch zurück und akzeptiert, dass Gleichheit im Handel mit China Wunschdenken bleibt. Beides hat seinen Preis.

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