Luxus statt Longdrink
Der legendäre Bordbar von Virgin Atlantic – einst Symbol der lässigen Marke – muss gehen. Statt Cocktails im Gang setzt die Airline künftig auf mehr Upper-Class-Sitze, größere Suiten und Premiumkomfort.
In einer Welt, in der die Nachfrage nach First und Business Class so stark ist wie nie, ist das fast schon eine logische Konsequenz.
„Die Nachfrage nach Premium ist unersättlich“, sagte CEO Shai Weiss bei der Vorstellung der neuen Strategie in London.
Virgin Atlantic, früher ein Paradies für Economy-Flieger mit Stil, verwandelt sich in ein Unternehmen, das gezielt auf das obere Ende des Markts setzt.
Weniger Economy, mehr Erlös
Der Umbau ist kein kleines Projekt. Zehn neue Airbus A330neos werden ab 2026 ausgeliefert – mit deutlich weniger Economy-Sitzen und deutlich mehr Upper-Class-Komfort.
In Zahlen: minus 30 Prozent in der Holzklasse, plus 16 Sitze in der Upper Class. Auch die Boeing-787-Flotte wird überholt: 65 Economy-Plätze fliegen raus, dafür kommen neue Premium- und Business-Sitze rein.
Die Botschaft ist eindeutig: Wer fliegt, soll zahlen. Und zwar lieber 5.000 Euro als 500. Virgin Atlantic ist damit nicht allein. Lufthansa, Air France, British Airways, United – sie alle wetteifern um die neue Luxuselite des Reisens. Das Flugzeug als Rückzugsort für wenige, nicht als Transportmittel für viele.
Milliardenschwere Wende
17 Milliarden Dollar steckt Virgin Atlantic in den Umbau seiner Flotte, das Programm soll bis 2028 abgeschlossen sein.
Bezahlt wird aus einem Rekordjahr: 3,3 Milliarden Pfund Umsatz (4,5 Mrd. Dollar), 230 Millionen Pfund Gewinn – das Vierfache des Vorjahres. Geld, das jetzt in Suiten, WLAN und Lounge-Modernisierungen gesteckt wird.

Auffällig: Die Nachfrage kommt nicht von Geschäftsreisenden. Vielmehr sind es zahlungskräftige Privatreisende, die ihre Urlaubsflüge luxuriöser buchen als je zuvor. Ein Pandemieeffekt mit Nachbrenner.
Mehr Suite als Sitz
Die neuen Retreat Suites sind das Herzstück der neuen Strategie. Eine Art Business-Class-Plus, mit genug Platz für zwei Personen – Ottomane inklusive.
Statt zwei dieser Suiten wie bisher in den A330neos sollen künftig sechs verbaut werden, in den 787ern sogar acht. Wer privat fliegt, will privat sitzen – und das möglichst weit weg von der Masse.
Die berüchtigte „coffin class“ – so der Spottname für die engen, wenig abgeschirmten Sitze der 787 – gehört bald der Vergangenheit an. Die neuen Designs erinnern eher an fliegende Hotelzimmer als an klassische Flugzeugsitze.
Highspeed-WLAN, Chatbots und ein bisschen Elon
Parallel zum Hardware-Umbau investiert Virgin Atlantic auch in digitales Beiwerk: Die Airline kooperiert mit Elon Musks Starlink-System – und wird damit die erste britische Fluglinie mit kostenlosem Streaming-WLAN. Bis Ende 2027 soll die gesamte Flotte umgerüstet sein.

Wer surfen will, muss sich allerdings beim Virgin-Treueprogramm „Flying Club“ registrieren. Auch das wird überarbeitet: Künftig sollen auch Gelegenheitsflieger stärker belohnt werden, wenn sie der Airline über Jahre die Treue halten. Zusätzlich will man mit einem KI-Concierge – basierend auf Technik von OpenAI – Reiseideen, Flughafeninfos und Späße auf Knopfdruck liefern.
Vom Freigeist zur First Class
Die Umgestaltung von Virgin Atlantic ist auch eine kulturelle. 1984 gegründet, war die Airline lange ein Gegenentwurf zur biederen British Airways – schriller, jünger, mutiger. Die Bordbar galt als Symbol dieses Geistes. Heute zählt sie zu den ersten Opfern des neuen Kurses.
„Wir lieben den Barbereich, aber der neue soziale Ort ist die Suite“, sagte CEO Weiss nüchtern. Emotionen werden durch Effizienz ersetzt – ein Spiegel des Markts, der sich in Richtung personalisierter Premiumangebote verschiebt.
Eine Strategie mit Risiko
Was nach kluger Marktbeobachtung klingt, ist zugleich eine Wette: auf eine wohlhabende Klientel, die auch in Zeiten geopolitischer Krisen und steigender Preise bereit ist, fünfstellige Summen fürs Fliegen zu zahlen. Noch trägt der Boom. Doch bei Konjunktureinbruch oder schwächerem Dollar kann der Markt rasch kippen.
Außerdem: Wer Economy ausdünnt, verliert Volumen – und damit Flexibilität. Sollte der Massentransport wieder an Bedeutung gewinnen, wird Virgin Atlantic schwerlich zurückrudern können.
Das könnte Sie auch interessieren:
