Wenn Urlaub zur geopolitischen Frage wird
Ein paar Tage Florida, ein Städtetrip nach New York oder Shopping in L.A. – was früher für viele deutsche Urlauber selbstverständlich war, wird zunehmend zum Unsicherheitsfaktor.
Seit Donald Trump wieder im Weißen Haus sitzt, gerät der Reiseverkehr zwischen Europa und den USA aus dem Takt. Der Rückgang ist messbar: Rund 25 Prozent weniger deutsche Touristen haben 2025 bislang einen Flug in die Vereinigten Staaten gebucht.
Besonders betroffen: der Frankfurter Flughafen, einst Drehscheibe für den Transatlantikverkehr – nun zusehends ein Knotenpunkt ohne Richtung.
Eine Branche auf der Bremse
Für Flughafenmanager wie Thomas Woldbye in London-Heathrow ist die Lage mittlerweile mehr als ein Stimmungskiller. Der Chef des größten europäischen Flughafens musste jüngst eine Gewinnwarnung aussprechen – mit seltener Offenheit sprach er von „wirtschaftlicher Unsicherheit“ rund um das USA-Geschäft.
Tatsächlich schrumpft das Nordamerika-Geschäft europäischer Flughäfen seit Monaten – trotz stabiler Zahlen im übrigen Reiseverkehr. Im Mai fehlten im Vergleich zum Vorjahr rund 100.000 Passagiere.

Jede Zollmeldung ein Rückgang
Der Zusammenhang zwischen Politik und Passagierzahlen lässt sich kaum leugnen. Branchenanalysen zeigen: Mit jeder neuen Zollankündigung der US-Regierung sinkt die Zahl der Reisewilligen.
„Die Nachfrage ist unmittelbar verunsichert“, sagt Christoph Carnier vom Geschäftsreiseverband VDR. Auch Markus Orth, Chef des Lufthansa City Centers, beobachtet: „Aktuell ist kein Aufwärtstrend in Sicht. Die Menschen warten ab.“
Urlaub auf dem Rückzug, Business auf Risiko
Während der touristische Verkehr leidet, fliegen Geschäftsreisende vermehrt mit Bedenken im Gepäck. Einige Unternehmen bereiten ihre Mitarbeiter inzwischen gezielt auf neue Einreisebedingungen vor.
Statt der elektronischen ESTA-Einreise setzen viele auf klassische Visa – aus Angst, kurzfristig abgewiesen zu werden. Die Lage an den US-Grenzen ist angespannt, spontane Rückweisungen keine Seltenheit.

Deutsche Airlines unter Zugzwang
Bei Lufthansa und Co. schrillen trotz beschwichtigender Worte die Alarmglocken. Noch zu Jahresbeginn planten Europas drei größte Fluggesellschaften – Air France-KLM, IAG und Lufthansa – mit zweistelligem Wachstum im Nordatlantikverkehr.
Jetzt korrigieren erste Anbieter ihre Prognosen, kürzen Verbindungen und senken die Preise. Intern ist von „Angebotsüberhang“ und „sinkenden Erlösen“ die Rede.
Ein Lufthansa-Insider bringt es auf den Punkt: „Was uns rettet, ist die starke Nachfrage aus den USA.“ Amerikanische Touristen zieht es weiterhin nach Europa – sie buchen mehr, geben mehr aus und sind loyaler als ihre europäischen Pendants.
Besonders Deutschland profitiert: Die USA rangieren aktuell auf Platz drei in der Einreisestatistik – hinter der Schweiz und den Niederlanden.
Hoteliers jubeln – aber nicht zu laut
Während Airlines um Buchungen kämpfen, wischen sich viele Hoteliers den Angstschweiß von der Stirn. Denn US-Gäste sorgen nicht nur für längere Aufenthalte, sondern lassen auch mehr Geld im Land.
Laut dem Beratungshaus Treugast liegt die durchschnittliche Ausgabenbereitschaft amerikanischer Reisender rund zehn Prozent über dem europäischen Schnitt – inklusive Wellness, Dinner und gehobenen Zimmerkategorien. In einer Branche, in der der Umsatz pro Zimmer europaweit dümpelt, ist das ein seltener Lichtblick.
Perspektive? Hängt am Welthandel
Doch wie lange noch? Die geopolitische Großwetterlage wird zunehmend zum Schicksalsfaktor für Fluggesellschaften, Reisebüros und Tourismusregionen. Analyst Alex Irving von Bernstein bringt es auf den Punkt: „Nicht die Menschen fliegen, die Wirtschaftsleistung fliegt.“
Eine neue Phase wirtschaftlicher Unsicherheit – sei es durch Handelskrieg, Inflation oder geopolitische Konflikte – könnte den Erholungstrend im globalen Reiseverkehr erneut ausbremsen. Die erste Klasse würde weiterfliegen. Die Economy Class bleibt dann vielleicht ganz am Boden.
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