Warren Buffett tritt ab. Nach über sechs Jahrzehnten an der Spitze von Berkshire Hathaway bereitet der wohl bekannteste Investor der Welt seinen Rückzug vor – ein Einschnitt, der nicht ohne Folgen bleibt.
Seit der offiziellen Ankündigung Anfang Mai hat die Aktie der Investmentholding deutlich an Wert verloren. Hinter dem Kursrutsch stecken nicht nur psychologische Effekte.
Das Ende einer Ära – und einer Bewertungsprämie
Buffett hat in den vergangenen Jahrzehnten mehr geschaffen als eine schlichte Beteiligungsgesellschaft. Berkshire Hathaway war – und ist – für viele Investoren gleichbedeutend mit der Person Warren Buffett.
Seine Disziplin, seine langfristige Value-Strategie, seine stoische Ruhe in Krisenphasen: All das verschaffte der Aktie einen dauerhaften Bewertungsaufschlag – den viel zitierten „Buffett-Premium“.
Mit der Ankündigung seines schrittweisen Rückzugs beginnt dieser Aufschlag nun zu bröckeln. Seit der Hauptversammlung fiel die B-Aktie von 539,80 auf zuletzt 491,13 Dollar – ein Minus von rund neun Prozent.
Auch die selten gehandelte A-Aktie notiert inzwischen gut 70.000 Dollar unter dem Allzeithoch. Analysten sehen darin das Ergebnis schwindenden Vertrauens in die Zukunft ohne den Altmeister an der Spitze.
Greg Abel übernimmt – Vertrauen muss erarbeitet werden
Dabei steht der Nachfolger längst fest: Greg Abel, seit 1999 im Unternehmen und verantwortlich für das operative Geschäft außerhalb der Versicherungssparte, soll Berkshire künftig führen.
Buffett selbst betonte mehrfach, dass Abel für den Job bestens geeignet sei. Doch Vertrauen an den Märkten entsteht nicht automatisch, sondern wird verdient – und genau hier liegt das aktuelle Problem.
Viele Anleger halten sich derzeit schlicht zurück. Sie wollen erst beobachten, wie sich Abels Führungsstil konkret niederschlägt, bevor sie neue Engagements eingehen oder bestehende Positionen ausbauen. Der immense Erfolg Buffetts lastet zugleich als Benchmark auf dem Nachfolger.
Warren Buffett, Ikone der Investmentwelt, kündigt seinen Rückzug als CEO von Berkshire Hathaway zum Jahresende an.
— flatex (@flatex) May 8, 2025
Was bleibt, ist eine beratende Tätigkeit für Berkshire Hathaway und seine Botschaft: Geduld, Disziplin und ein kühler Kopf.
Wie wird sich Berkshire Hathaway nun… pic.twitter.com/KRzvfZWS0H
Cash-Berg als Fluch und Segen zugleich
Rund 347 Milliarden US-Dollar an Liquidität horten sich derzeit in Berkshires Bilanz – eine gewaltige Summe, die gleich mehrere Risiken birgt. Einerseits verleiht die Cash-Reserve Stabilität in einem zunehmend unsicheren wirtschaftlichen Umfeld.
Andererseits fällt es dem Unternehmen immer schwerer, attraktive Investitionsziele zu identifizieren. Buffett selbst dämpfte zuletzt allzu große Hoffnungen: Weder kurzfristig noch „in fünf Jahren“ werde man größere Übernahmen tätigen, so der 93-Jährige.
Hinzu kommt die Sorge um sinkende Kapitalerträge. Sollte die US-Notenbank im Laufe des Jahres die Leitzinsen erneut senken, wie viele Marktbeobachter erwarten, droht der ohnehin schon geringe Ertrag auf die Liquiditätsreserven weiter zu schrumpfen.
UBS kürzt Prognosen – bleibt aber optimistisch
UBS-Analyst Brian Meredith reagierte bereits auf die Entwicklungen: Er senkte seine Gewinnprognose für Berkshire um sechs Prozent und kürzte das Kursziel für die B-Aktie von 606 auf 591 Dollar.
Dennoch hält er an seiner Kaufempfehlung fest. In unsicheren Zeiten, so Meredith, blieben die Kombination aus konservativer Bilanz, defensivem Geschäftsmodell und kalkulierbarem Zollrisiko weiterhin attraktiv.
Gewinnmitnahmen vor dem Führungswechsel
Ein weiteres Motiv hinter dem Kursrückgang könnte simpler Natur sein: Viele Altaktionäre nutzen den angekündigten Führungswechsel, um nach Jahrzehnten stattlicher Wertsteigerungen nun Kasse zu machen.
Immerhin haben die Berkshire-Aktien seit den 1960er Jahren spektakuläre 5,5 Millionen Prozent an Wert zugelegt. Solche Renditen fordern auf Dauer auch ihre Tribut: Irgendwann setzt bei vielen Investoren schlicht der Realisierungsdrang ein.
Berkshires zweite große Prüfung
Es ist nicht das erste Mal, dass Berkshire an einem Wendepunkt steht. Schon in den 90er Jahren wurde das Unternehmen wegen Buffetts Alter mehrfach totgesagt. Doch der „Omaha Oracle“ lieferte immer wieder eindrucksvoll ab. Nun jedoch muss Berkshire beweisen, dass es auch ohne seinen Gründer dauerhaft als Investmentmaschine funktioniert.
Die kommenden Monate werden zeigen, ob Greg Abel die hohen Erwartungen erfüllen kann – oder ob der Buffett-Premium doch mehr war als nur eine Frage der Führung. Der Kapitalmarkt schaut jedenfalls bereits sehr genau hin.
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