Gewinn verdoppelt, Aktie fällt
Für gewöhnlich reicht ein Gewinnsprung, um Tech-Investoren in Ekstase zu versetzen. Doch an der Wall Street gelten andere Maßstäbe – vor allem, wenn man Broadcom heißt, ein Unternehmen mit einem Börsenwert von über 1,2 Billionen Dollar, das längst in der gleichen Gewichtsklasse wie Tesla, Meta oder Amazon spielt.
Am Donnerstagabend legte der US-Konzern seine Quartalszahlen vor – und musste feststellen, dass solide Zahlen nicht mehr genügen. Der Kurs fiel nachbörslich um fast drei Prozent. Dabei hatte Broadcom den Gewinn pro Aktie mehr als verdoppelt und die Umsatzerwartungen sogar leicht übertroffen. Was also war das Problem?
Zu wenig Glanz für ein Billionen-Dollar-Unternehmen
Ein Blick auf die Zahlen zeigt: Im zweiten Geschäftsquartal 2025 erzielte Broadcom einen Gewinn pro Aktie von 1,05 US-Dollar. Das ist mehr als doppelt so viel wie im Vorjahreszeitraum (0,46 USD).
Der Umsatz stieg auf 15,004 Milliarden Dollar – eine Steigerung von rund 20 Prozent. Beides klingt gut, wäre da nicht das kleine, aber entscheidende Wort: Erwartungen.
Denn Analysten hatten mit einem Gewinn von 1,57 US-Dollar je Aktie gerechnet – also mit einem Plus, das Broadcom nicht liefern konnte. Auch beim Ausblick auf das kommende Quartal blieb das Management unter den kühnsten Schätzungen, obwohl der Umsatz mit erwarteten 15,8 Milliarden Dollar immer noch auf Rekordniveau liegen dürfte.
Die KI-Rakete braucht neuen Treibstoff
Broadcom gehört – neben Nvidia – zu den bekanntesten Profiteuren des KI-Booms. Der Konzern liefert Chips und Infrastruktur für Rechenzentren von Google, Apple und Co. Seit dem Zwischentief im April hat sich der Aktienkurs nahezu verdoppelt.
Doch diese Erwartungen sind ein zweischneidiges Schwert: Wer als Gewinner der künstlichen Intelligenz gilt, muss liefern – am besten jedes Quartal neue Superlative.
Dass Broadcom laut JPMorgan mit dem KI-Geschäft dieses Jahr rund 19,5 Milliarden Dollar einnehmen dürfte und im nächsten Jahr sogar 31 Milliarden, klingt zunächst beeindruckend. Doch der Markt hatte offenbar mit noch mehr gerechnet.
Das zeigt sich auch am Verhalten der Aktie: Trotz positiver Analystenkommentare und angehobener Kursziele (unter anderem von JPMorgan, Bernstein, Bank of America und UBS) setzte die Aktie zur Korrektur an.
Ein Opfer des eigenen Erfolgs
Was sich hier zeigt, ist ein Phänomen, das viele Tech-Giganten kennen: Die Erwartungen an sie steigen exponentiell mit dem Börsenwert. Wer mehr als eine Billion Dollar schwer ist, darf sich keine Wachstumsdelle leisten – selbst wenn das operative Geschäft solide bis hervorragend läuft.
So schreibt Analyst Harlan Sur von JPMorgan zwar von einem „robusten Quartal“ und hebt das Kursziel auf 325 Dollar an. Auch andere Häuser sehen die langfristige Perspektive positiv. Aber: Die kurzfristige Enttäuschung dominiert. Und sie zeigt, wie nervös die Märkte bei Tech-Titeln inzwischen sind, wenn die ganz großen Geschichten fehlen – oder zumindest nicht lauter erzählt werden.
Viel Fantasie, wenig Luft
Mit einem Kurs von zuletzt 252,79 US-Dollar notiert Broadcom nur knapp unter dem jüngsten Allzeithoch von 265,43 Dollar. Die Bewertung ist ambitioniert, der Spielraum für „Enttäuschungen auf hohem Niveau“ minimal. Dabei sind es weniger fundamentale Schwächen, sondern vor allem psychologische Effekte, die den Kurs belasten: zu viel Fantasie, zu wenig neue Impulse.
Auch wenn Broadcom solide liefert – der Konzern wird von der Börse längst wie ein Wachstumswunder behandelt. Und das verpflichtet: Jede Abweichung von der idealisierten Zukunft kostet Vertrauen. Selbst bei einem Chip-Riesen, der sich gerade erst auf Platz sieben der wertvollsten US-Unternehmen geschoben hat – vorbei an Tesla.
Das könnte Sie auch interessieren:
