Die auf dem Kunstrasen des Estadio Municipal de El Alto in Bolivien geschriebenen Zahlen und Worte sind ein Stolz der Einheimischen und eine Warnung für ihre Gegner. Mit 4.150 Metern über dem Meeresspiegel wird die neue Heimat der bolivianischen Nationalmannschaft als eine der herausforderndsten Bedingungen im internationalen Fußball angesehen.
Am Donnerstagabend wird Venezuela die erste internationale Mannschaft sein, die in einem WM-Qualifikationsspiel im neuen Stadion antritt. Um sich an die dünnere Luft zu gewöhnen, hat das venezolanische Team Tage damit verbracht, spezielle Atemübungen durchzuführen und sich in Druckkammern auf die geringe Luftdruckhöhe vorzubereiten.
Bolivien ist seit Langem dafür bekannt, Heimspiele in schwindelerregenden Höhen auszutragen. In Andreas Campomars Buch "¡Golazo!" wird beschrieben, wie bolivianischer Fußball aus der dünnen Luft der Anden eine Festung geschaffen hat. Legendär war der 6:1-Sieg über Argentinien im Jahr 2009, ein Spiel, das selbst die bolivianischen Fußballlegenden in Erstaunen versetzte.
Einst entspannte die FIFA ihre Regeln, bei denen Spiele über 2.750 Meter Höhe verboten waren, nachdem Bolivien, vertreten durch den damaligen Präsidenten Evo Morales, gegen den sogenannten „Fußball-Apartheid“ gekämpft hatte. Trotz dieser Anpassungen gab es immer wieder Beschwerden von internationalen Teams, insbesondere aus Brasilien.
Nun geht Bolivien noch einen Schritt weiter und verlegt Spiele nach El Alto, das 560 Meter höher liegt als La Paz. Die dortige dünne Luft zwingt Touristen oft dazu, sich über Tage oder Wochen zu akklimatisieren.
Die Entscheidung, Spiele in El Alto auszutragen, könnte fast als verzweifelter Versuch angesehen werden, zumal die Mannschaft in jüngsten Qualifikationsspielen schlecht abgeschnitten hat. Die niedrigere Stadionkapazität im Vergleich zu La Paz und die bisherigen Misserfolge scheinen diesen Eindruck zu bestärken.
Doch für einige Bolivianer bietet die neue Spielstätte einfach eine Möglichkeit, das Beste aus den natürlichen Bedingungen zu machen. Die psychologische und emotionale Komponente spielt dabei eine wichtige Rolle, so der bolivianische Nationaltrainer Oscar Villegas.
Wie stark die Höhe Bolivien tatsächlich geholfen hat, bleibt umstritten. Während einige meinen, dass der psychologische Vorteil überwiegt, zeigen die Statistiken einen klaren Heimvorteil. In den letzten 28 Jahren hat Bolivien nur ein Auswärtsspiel gewonnen, während die Heimbilanz deutlich besser ist.
Die Geschichte kennt zahlreiche Versuche von Gastmannschaften, sich an die Höhe anzupassen, sei es durch spezielle Trainingsmethoden oder längere Akklimatisierungsphasen. Dennoch bleibt der Effekt der Höhe erheblich, sowohl aufgrund körperlicher Herausforderungen als auch wegen der veränderten Eigenschaften des Balls.
In jedem Fall beginnt heute eine neue Ära für den bolivianischen Fußball in El Alto. Die Frage bleibt, ob dieses Experiment in luftiger Höhe das gewünschte Ergebnis bringen wird.