Rückkehr auf Raten
Boeing hat im zweiten Quartal einen Nettoverlust von 612 Millionen Dollar verbucht – deutlich weniger als die 1,44 Milliarden im Vorjahr. Möglich gemacht haben das vor allem steigende Auslieferungszahlen: Von April bis Juni wurden 150 Verkehrsflugzeuge ausgeliefert – im Vorjahreszeitraum waren es gerade einmal 92. Der Umsatz schnellte um satte 35 Prozent auf 22,75 Milliarden Dollar.

Konzernchef Kelly Ortberg spricht von „operativer Stabilisierung“. Tatsächlich scheint sich Boeing langsam aus der Krise zu schälen – zumindest, was die Stückzahlen betrifft.
Das Unternehmen plant, die Produktion der 737 Max von aktuell 38 auf 42 Flugzeuge pro Monat zu erhöhen – sofern die Qualitätskennzahlen stimmen und die US-Luftfahrtaufsicht FAA zustimmt. Die Fertigung des Langstreckenmodells 787 wurde bereits von fünf auf sieben Flugzeuge im Monat ausgeweitet.
Wachstum mit Warnlampe
Die FAA hatte die Produktion der 737 Max im Frühjahr gedrosselt – wegen Qualitätsproblemen, bei denen sich etwa ein Türpaneel während eines Fluges löste. Auch wenn Boeing die betroffenen Maschinen schnell überprüfte, bleibt das regulatorische Vertrauen brüchig.
Eine Ausweitung der Produktion wird erst genehmigt, wenn Lieferantenstruktur, Qualitätssicherung und Dokumentation lückenlos überzeugen.
Hinzu kommt: Arbeitskämpfe in mehreren Bundesstaaten drohen. Tausende Gewerkschaftsmitglieder haben jüngst neue Tarifangebote abgelehnt. Ein Streik ist möglich – und würde die mühsam zurückeroberte Produktionsstabilität gefährden.
Der Auftragspolster wächst, die Zweifel auch
Boeings Auftragsbestand ist beeindruckend: Mehr als 600 Milliarden Dollar. Allein im ersten Halbjahr kamen über 600 neue Bestellungen hinzu. Doch große Auftragsbücher allein genügen nicht – entscheidend ist, ob der Konzern sie verlässlich und pünktlich bedienen kann.
Genau daran hat Boeing zuletzt mehrfach gescheitert. Fehlende Teile, Zulieferprobleme und Sicherheitsrückrufe haben den Ruf des einstigen Vorzeigeunternehmens beschädigt.
Zudem brodelt es geopolitisch: Handelskonflikte, Exportbeschränkungen und die Rolle Chinas als potenzieller Käufer oder Konkurrent stellen strategische Risiken dar. Auch die Konkurrenz aus Europa schläft nicht – Airbus produziert auf Rekordniveau und profitiert von einem robusten Ruf.
Solider Quartalsbericht – auf wackeliger Grundlage
Boeings Aktie legte nach den Zahlen zunächst zu – doch das Momentum bleibt fragil. Der Markt preist derzeit vor allem die Hoffnung auf eine Rückkehr zur Normalität ein.
Doch in Wahrheit ist Boeing noch immer ein Konzern im Umbau: mit Nachwehen aus der Max-Krise, einem misstrauischen Regulator, verunsicherten Kunden und einer Belegschaft am Limit.
Ob Ortbergs Produktionsversprechen eingehalten werden können, entscheidet sich nicht an der Börse, sondern in den Werkshallen – und in den Kontrollbüros der FAA. Die kommenden Monate werden zeigen, ob Boeing die Kurve nachhaltig bekommt. Vorerst gilt: Fortschritt ja, aber Entwarnung nein.
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