Das Rennen ist neu gestartet
Die Pandemie hat sie berühmt gemacht – doch ihre Zukunft wird nicht mehr in Impfzentren entschieden. Biontech und Moderna haben Milliarden mit Corona-Vakzinen verdient, jetzt stehen sie vor der weitaus schwierigeren Aufgabe, daraus ein dauerhaftes Geschäftsmodell zu formen. Die Wege, die sie dafür eingeschlagen haben, könnten kaum unterschiedlicher sein.
Moderna setzt auf Masse – Biontech auf Tiefe
Während Moderna seine Pipeline aufgebläht hat – mit über 20 Impfstoffprojekten gegen alles von Zika bis Epstein-Barr – konzentriert sich Biontech auf ein Feld, das nicht weniger als die Königsklasse der Biotechnologie ist: Krebs.
Mit dem Antikörper BNT327, einer Partnerschaft mit Bristol Myers Squibb und der Übernahme des Rivalen Curevac will das Mainzer Unternehmen nicht weniger als die Onkologie umkrempeln.
Die Börse hat längst einen Favoriten: Während die Moderna-Aktie in den letzten zwölf Monaten rund 66 Prozent an Wert verloren hat, legte Biontech im selben Zeitraum um etwa ein Drittel zu.

Milliarden-Deal mit Bristol Myers: Ein Ritterschlag
Bis zu 11 Milliarden Dollar stehen im Raum, wenn der gemeinsam entwickelte Antikörper BNT327 seine Wirksamkeit beweist. Bereits 1,5 Milliarden davon fließen noch dieses Jahr als Vorabzahlung an Biontech – ein Vertrauensvotum, das in der Branche Seltenheitswert hat.
Die Technik dahinter: sogenannte bi-spezifische Antikörper, die zwei unterschiedliche Ziele im Tumor gleichzeitig angreifen können. Der Vorteil: präzisere Wirkung, weniger Nebenwirkungen.
„Der Deal mit BMS ist einer der besten der letzten Jahre“, urteilt Fondsmanager Markus Manns von Union Investment. Und ergänzt: „Er zeigt, dass Biontech sich nicht auf mRNA allein verlässt.“
Moderna spart – und verliert Vertrauen
Ganz anders das Bild bei Moderna. CEO Stéphane Bancel bleibt auffällig still. Die Kommunikation ist zurückhaltend, Visionen Fehlanzeige. Stattdessen: Stellenabbau, gesenkte Umsatzprognosen, Sparkurs. Das Unternehmen hofft, mit einem neuen Kombi-Impfstoff gegen Covid und Grippe verlorene Marktanteile zurückzugewinnen. Ein Comeback – keine Zukunftsstrategie.
Zwar überraschte Moderna zuletzt mit soliden Quartalszahlen. Doch die Umsatzprognose für 2025 musste um mehrere Hundert Millionen Dollar nach unten korrigiert werden.
Biontech investiert, während andere abbauen
Auch Biontech baut Stellen ab, vor allem in Marburg und Idar-Oberstein. Doch parallel steigen die F&E-Ausgaben auf bis zu 2,8 Milliarden Euro – das ist Risikobereitschaft auf hohem Niveau. Man will liefern, nicht nur hoffen. Die Mainzer stecken ihr Geld in Technologieplattformen, neue Studien und strategische Übernahmen.

Mit der Curevac-Übernahme holte sich Biontech nicht nur neue mRNA-Technologien ins Haus, sondern beendete elegant einen jahrelangen Patentstreit. Auch das ein Zeichen strategischer Reife.
Kursentwicklung spricht eine deutliche Sprache
An der Börse zeigt sich: Wer investiert, statt nur zu verwalten, wird belohnt. Biontech hat mit aktuell rund 26,4 Milliarden Dollar Marktkapitalisierung den einstigen Rivalen Moderna (etwa 9 Milliarden Dollar) deutlich hinter sich gelassen. Analysten sehen weiteres Potenzial – die Kursziele liegen im Schnitt 25 Prozent über dem aktuellen Niveau.
Moderna dagegen wird von vielen Analysten nur noch mit „Halten“ bewertet. Und ausgerechnet im Heimatmarkt USA droht weiteres Ungemach: Gesundheitsminister Robert Kennedy Jr. gilt als erklärter Impfgegner – ein denkbar ungünstiges Umfeld für einen Impfstoffkonzern.
Wohin fließt das Geld?
Beide Unternehmen sitzen auf vollen Kassen. Moderna verfügt über 8,5 Milliarden Dollar, Biontech über fast 16 Milliarden Euro. Doch Kapital allein reicht nicht.
„Ein großes Cash-Polster ist immer auch ein Risiko“, sagt Fondsmanager Manns. „Wer es nicht clever investiert, wird vom Markt abgestraft.“
Der Unterschied: Biontech investiert gezielt, Moderna verteilt. Das Vertrauen in Mainz ist messbar höher – auch, weil Biontech mehr als nur eine mRNA-Firma sein will.
Krebs als Prüfstein
Im Fokus steht nun Biontechs individueller Darmkrebsimpfstoff. Die Daten sollen Ende des Jahres vorliegen – sie könnten, bei entsprechendem Erfolg, bereits eine Zulassung ermöglichen. Sollte das gelingen, würde Biontech endgültig den Sprung von der Pandemie-Erfolgsstory zum forschungsgetriebenen Krebsunternehmen schaffen.
Es wäre nicht nur ein wissenschaftlicher Durchbruch, sondern auch ein wirtschaftlicher. Denn anders als bei saisonalen Impfstoffen sind Krebsmedikamente Blockbuster mit Langzeitpotenzial.
Das könnte Sie auch interessieren:
