Die Ergebnisse der neuen YouGov-Umfrage wirken wie ein Schlaglicht auf die Stimmung im Land: 62 Prozent der Deutschen blicken mit Sorge auf die diesjährigen Weihnachtsmärkte. Nicht diffuse Angst, sondern konkrete Erinnerung – an Berlin 2016 und Magdeburg 2024. Beide Anschläge haben sich tief ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. Und genau das spürt man heute, kurz vor Saisonstart, an jedem Glühweinstand und jeder Zufahrtsstraße.
Angst, die geblieben ist
22 Prozent der Befragten sagen offen, sie seien „sehr besorgt“. Weitere 40 Prozent geben zu, zumindest „etwas“ Angst zu haben. Das bedeutet: Der typische Weihnachtsmarktbesuch 2025 ist kein beiläufiger Familientermin mehr, sondern ein bewusster Entschluss. Nur 35 Prozent lassen sich davon gar nicht beeindrucken.
Auch das Ausweichverhalten spricht eine klare Sprache. Ein Drittel der Menschen plant dieses Jahr keinen Besuch. Hohe Preise, zu viel Gedränge, wenig Interesse – alles Gründe, die oft genannt werden. Doch dahinter liegt ein anderes Motiv, das viele nur indirekt aussprechen: 32 Prozent bleiben aus Sicherheitsgründen fern.

Städte im Sicherheitsmodus
Schaut man hinter die Kulissen, wird schnell klar, wie ernst die Lage genommen wird. Fast jede Kommune hat ihr Sicherheitskonzept überarbeitet.
München setzt auf Videoüberwachung und zusätzliche Sicherheitsdienste, die Polizei führt „selektive Taschenkontrollen“ durch.
Hamburg riegelt sensible Bereiche mit tonnenschweren Wassercontainern ab – eine pragmatische, aber unübersehbare Antwort auf die Anschlagsgefahren.
Berlin hält weiter an großflächigen Straßensperrungen fest. Der Anschlag am Breitscheidplatz ist neun Jahre her, aber die Stadt verhält sich, als hätte er gestern stattgefunden.
Nürnberg schweigt über Details des Sicherheitskonzepts – nicht aus Geheimniskrämerei, sondern aus Vorsicht.
Selbst private Betreiber halten sich bedeckt. Der Veranstalter des „Potsdamer Weihnachtszaubers“ verrät lediglich, dass man über 250.000 Euro in Sicherheit investiert. Mehr nicht.
Magdeburg 2024: Das Trauma ist frisch
Der Anschlag von Magdeburg hat die ohnehin belastete Stimmung weiter verschärft. Sechs Menschen starben, darunter ein Kind. Über 300 Besucher wurden verletzt. Die Wucht dieses Ereignisses, der chaotische Ablauf und der bis heute schwer einzuordnende Täter prägen die Debatte nachhaltig.
Das zeigt sich auch in den Sicherheitsbehörden. Seit Jahren betonen Innenminister und Polizeigewerkschaften, die Gefahr sei „grundsätzlich vorhanden“. In diesem Jahr klingt das eher wie eine Warnung, die keiner mehr überhören kann.
Reicht das alles?
Die Bevölkerung ist gespalten. 41 Prozent finden die Sicherheitsvorkehrungen ausreichend. 37 Prozent sehen das anders. Ein Fünftel hat schlicht keine klare Meinung mehr – ein Hinweis darauf, wie schwer die Lage inzwischen zu fassen ist.
Weihnachtsmärkte waren lange Orte der Unbeschwertheit. Heute symbolisieren sie ein gesellschaftliches Spannungsfeld: Sicherheitsbedürfnis auf der einen Seite, der Wunsch nach Normalität auf der anderen.
Weihnachten findet statt – aber anders
Die Wahrheit ist unbequem: Niemand kann garantieren, dass ein Markt hundertprozentig sicher ist. Und niemand kann garantieren, dass die Menschen jemals wieder so gelassen über den Adventsbummel gehen wie früher.
Doch die Märkte öffnen. Die Städte rüsten auf. Die Besucher kommen – vorsichtiger, aufmerksamer, manchmal mit einem mulmigen Gefühl. Aber sie kommen.
Das ist vielleicht die eigentliche Botschaft dieses Winters: Die Angst ist da. Die Weihnachtsmärkte auch. Und das Land versucht, mit beidem zu leben.


