Zurück auf Anfang
Wo früher Farbeimer standen, steht heute der Mensch. Gleich am Eingang des Obi-Markts in Solingen erklärt Sebastian Gundel seine Vision: Die „Machbar“, eine Art Beratungsbar für Heimwerker, ersetzt das klassische Warenlager.
Zwei Mitarbeitende erklären, planen und beraten – direkt beim Reinkommen. Wer Schrauben sucht, wird nicht mehr auf Gängen herumgeschickt, sondern direkt begleitet. Gundels Botschaft ist klar: Obi soll nicht länger Produktregal sein, sondern Problemlöser.
Vom Verwalter zum Antreiber
Seit Gundel 2022 das Ruder vom langjährigen CEO Sergio Giroldi übernommen hat, hat sich die Baumarktkette spürbar verändert. Giroldi war vorsichtig, intern teils als zaudernd beschrieben. Die Digitalisierung kam kaum voran, die Märkte wuchsen langsam. Bauhaus zog vorbei, Obi verlor die Marktführerschaft in Deutschland – dem wichtigsten Markt.
Gundel tritt mit Tempo und Ambition an.
„Wir wollen bis 2027 zehn Milliarden Euro Umsatz erreichen“, sagt er.
2024 waren es 8,2 Milliarden, knapp hinter Bauhaus mit 8,3 Milliarden Euro.
Expansion ohne Beton
Die Expansion soll aber nicht über neue Standorte in Eigenregie erfolgen, sondern über Franchisepartner – ein Ansatz, den Giroldi weitgehend gemieden hatte. Gundel geht bewusst neue Wege: Statt selbst zu bauen, wirbt er erfahrene Händler ab – besonders von Hagebau. So wechselte zuletzt das Mutter-Tochter-Duo Gillet mit 40 Jahren Branchenerfahrung zu Obi. Ihr neuer Markt in Landau misst stolze 23.000 Quadratmeter.
Aktuell stammen rund 25 Prozent des Umsatzes aus Franchisemärkten, bald sollen es 35 Prozent sein. Das senkt die Kapitalbindung – und erhöht die Schlagkraft in anderen Bereichen.

Digital statt Discount
Parallel treibt Gundel die Digitalisierung mit Nachdruck voran. Mit der HeyObi-App lässt sich nicht nur einkaufen, sondern auch beraten: Per Videoanruf geben Obi-Profis Tipps für die Terrassengestaltung, samt Produktvorschlägen – natürlich direkt bestellbar.
Ziel ist der Omnichannel-Kunde: Wer über alle Kanäle hinweg kauft, gibt im Schnitt doppelt so viel aus wie reine Ladenkunden. Online-Kampagnen, smarte Werbung und YouTube-Formate für Kinder sollen die Marke emotional aufladen – von der Bastelstunde bis zur ersten Eigentumswohnung.
Profis als Schlüssel zur Wende
Doch Obi will nicht nur digitaler, sondern auch professioneller werden. Der große Hebel liegt bei den Handwerksbetrieben – Kunden, die regelmäßig einkaufen und hohe Warenkörbe haben.
Das Problem: Die meisten Obi-Märkte sind zu klein. Bauhaus und Hornbach punkten mit riesigen Flächen und Baustoffkompetenz. Gundel kontert mit Drive-in-Baustoffhallen, direkter WhatsApp-Kommunikation und Abholung ab 7 Uhr morgens. In Solingen wurde dieses Konzept bereits umgesetzt – mit Erfolg.
Kulturwandel im Konzern
Nicht nur der Markt verändert sich, auch das Unternehmen selbst. In der Zentrale in Wermelskirchen wird nun geduzt, Anzüge sind optional, der Vorstandschef isst in der Kantine. Gundel setzt auf Nahbarkeit – und ein frisches Vorstandsteam. Mit an Bord: Miguel Müllenbach, Ex-Chef von Galeria Karstadt Kaufhof, als neuer CFO.
Die Belegschaft scheint den Wandel anzunehmen. Erste Erfolge bestätigen den Kurs: 2024 verdoppelte Obi das Vorsteuerergebnis auf über 120 Millionen Euro – trotz Konsumflaute, Baustillstand und Wettbewerb durch Discounter und Onlineplayer wie Temu.
Mehr als ein Rekordtag
Der 2. Mai war ein Symboltag. Obi erzielte den höchsten Tagesumsatz seit fünf Jahren: 60 Millionen Euro europaweit, 33 Millionen allein in Deutschland. Ein Brückentag, schönes Wetter, volle Kassen. Für Gundel kein Zufall, sondern Bestätigung.
Er will, dass solche Tage zur Regel werden – durch Relevanz, Service und neue Kundennähe. Die Marke Obi soll vom Produktlieferanten zum Erlebnis werden. Der Biber ist dabei mehr als Maskottchen – er ist wieder Angriffslust in Orange.
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