Der Einbruch kommt nicht überraschend – aber er fällt heftiger aus als erwartet
Baidu hat erneut ein schwaches Quartal hinter sich. Der Internetkonzern musste im dritten Jahresviertel einen Umsatzrückgang von sieben Prozent auf 31,17 Milliarden Yuan hinnehmen. Für gewöhnlich wäre das schon Nachricht genug, doch der eigentliche Schock steckt im Detail: Das Werbegeschäft – jahrzehntelang die finanzielle Lebensader des Unternehmens – brach um 18 Prozent ein. Ein Rückgang, der nicht nur zyklisch klingt, sondern strukturell.
Dabei übertraf Baidu die Erwartungen der Analysten sogar leicht. Doch das ändert wenig an der Tatsache, dass das digitale Anzeigengeschäft des Konzerns fragiler denn je ist. In einer Zeit, in der Werbebudgets in China ohnehin dünner werden, trifft es den Marktführer deutlich härter als früher.
Die Ursachen liegen außerhalb des Siliziums – und tief in der chinesischen Volkswirtschaft
Chinas Wirtschaft kämpft mit einer Mischung aus Immobilienkrise, Konsumzurückhaltung und geopolitischem Gegenwind. Unternehmen schrauben Ausgaben zurück, besonders dort, wo sich Einsparungen schnell realisieren lassen: Marketing. Der Handelsstreit mit den USA verschärft zusätzlich die Unsicherheit.
Für Baidu bedeutet das: weniger Traffic, weniger Anzeigen, weniger Umsatz. Das klassische Geschäftsmodell, das auf Suchanfragen und werbebasierter Monetarisierung beruht, ist in einem Umfeld wie diesem empfindlicher als das der Konkurrenz. Denn Baidu ist im Kern noch immer das, was Google vor fünfzehn Jahren war – ein Suchkonzern mit ambitionierten Zukunftsprojekten, aber ohne diversifizierten Werbeökosysteme wie YouTube oder Android.
Die Cloud-Sparte stemmt sich gegen den Trend – und liefert den einzigen echten Wachstumspuls
Während die Werbesparte schlechte Nachrichten produziert, liefert ein anderer Bereich Zahlen, die Anleger hoffen lassen: Das Geschäft außerhalb des Marketings – von Cloud bis Enterprise-KI – wuchs um satte 21 Prozent auf 9,3 Milliarden Yuan.
Das ist kein Zufall. Baidu investiert seit Jahren in Künstliche Intelligenz, insbesondere in seine Plattform Ernie und diverse Cloud-Dienste, die auf maschinellem Lernen basieren. Und während der globale KI-Wettlauf derzeit von Nvidia, Microsoft und OpenAI dominiert wird, entstehen in China parallel eigene Ökosysteme. Baidu ist dort einer der wenigen Player, die Hard- und Software aus einer Hand liefern können.

Gerade Unternehmen, die in China unabhängig von US-Technologie werden wollen oder müssen, greifen verstärkt auf chinesische Cloudanbieter zurück. Für Baidu ist das ein seltener strategischer Vorteil.
Ein Geschäftsmodell im Umbau – und die Frage nach Baidus Zukunft
So zeigt das Quartal Baidus zweigeteilte Realität: Das frühere Kerngeschäft kollabiert schneller, als sich neue Erlösmodelle etablieren können. Gleichzeitig ist der Cloud-Bereich der einzige Teil des Konzerns, der zweistellige Wachstumsraten liefert – und genau das Segment, in dem Baidu die meisten Innovationen der vergangenen Jahre verortet hat.
Währenddessen drängen Wettbewerber wie Alibaba und Tencent bei KI-Cloudlösungen aggressiv nach vorn. Der Abstand schrumpft. Baidu muss jetzt entscheiden, wie viel von seiner Zukunft es noch an Werbung knüpfen will.
Die gegenwärtige Entwicklung lässt nur eine Richtung zu: weg vom anfälligen Werbemarkt, hin zu Unternehmenslösungen, Infrastruktur-Software und eigenentwickelten KI-Technologien. Baidus Stärke liegt nicht mehr im Suchschlitz. Sie liegt im Rechenzentrum.
Baidus Wendepunkt – und weshalb Anleger weiter genau hinschauen sollten
Die kommenden Quartale werden darüber entscheiden, ob Baidu den Strukturwandel aus eigener Kraft schafft. Das schwächelnde Werbegeschäft dürfte in einem angeschlagenen chinesischen Konjunkturumfeld weiter leiden. Doch gleichzeitig wirkt die Cloud-Sparte wie ein Gegengewicht, das größer wird, je länger die Krise anhält.
Wenn Baidu überhaupt noch einmal auf ein nachhaltiges Wachstumspfad einschwenken kann, dann über KI, Rechenzentren und Enterprise-Anwendungen. Das Unternehmen steht vor einem der bedeutsamsten Wendepunkte seiner Geschichte – und dieses Quartal liefert den klarsten Hinweis darauf.


