17. Mai, 2025

Politik

Angriffsziel Asyl: Gewalt gegen Geflüchtete erreicht neuen Höchststand

255 Angriffe auf Unterkünfte, über 2.200 Straftaten gegen Migranten – die Zahlen aus dem Innenministerium zeigen, wie sich der Hass in der Gesellschaft Bahn bricht. Und wie wenig Widerstand er bekommt.

Angriffsziel Asyl: Gewalt gegen Geflüchtete erreicht neuen Höchststand
Tatort Flüchtlingsunterkunft: Nur in 6 von 30 Fällen im ersten Quartal 2025 konnte die Polizei Tatverdächtige ermitteln. Die Aufklärungsquote bleibt niedrig.

Die Statistik, die niemand sehen will

Die nackten Zahlen sprechen für sich – und doch hört man kaum etwas davon. 255 politisch motivierte Straftaten gegen Asylunterkünfte im Jahr 2024. Das sind so viele wie seit sieben Jahren nicht mehr.

Gegenüber dem Vorjahr ist das ein Anstieg um 45 Prozent. Wer sich damit beschäftigt, merkt schnell: Hier geht es nicht um Einzelfälle, sondern um ein Klima. Und dieses Klima wird kälter.

Was früher einmal Mahnung war – „Nie wieder“ – scheint zur Floskel geworden zu sein. Die Zahlen stammen aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Linken, veröffentlicht von der Neuen Osnabrücker Zeitung.

Und sie machen deutlich: Der Rechtsruck hat längst konkrete Folgen. Für Menschen, die in Deutschland Schutz suchen – und nun Zielscheiben sind.

Innenpolitisch alarmierend – außenpolitisch beschämend

Die politisch motivierte Gewalt gegen Unterkünfte ist nur ein Teil des Problems. Auch jenseits der Heime steigt die Gewalt gegen Migrantinnen und Migranten. 2.271 politisch motivierte Straftaten zählte das Innenministerium im Jahr 2024. Darunter: 287 Gewaltdelikte. 235 verletzte Menschen. Körperlich, nicht symbolisch.

Diese Zahlen sind kein Betriebsunfall. Sie sind Ausdruck eines gesellschaftlichen Klimas, das sich zunehmend radikalisiert – nicht nur am rechten Rand.

„Es ist wenig überraschend, dass Rassisten sich unter diesen Umständen ermutigt fühlen“, sagt Clara Bünger, innenpolitische Sprecherin der Linken. „Von SPD bis AfD herrscht weitgehende Einigkeit, dass man möglichst wenige Geflüchtete aufnehmen will.“

Ein harter Vorwurf – aber einer, den viele in der Migrationsforschung so oder ähnlich teilen würden.

Gewalt gegen Migranten bleibt Alltag: 2.271 politisch motivierte Straftaten im Jahr 2024, darunter 287 Gewalttaten mit 235 Verletzten – Tendenz anhaltend hoch.

Täter fühlen sich sicher – und oft sind sie es auch

Im ersten Quartal 2025 registrierte die Polizei bereits 30 Angriffe auf Asylunterkünfte. In gerade einmal sechs Fällen konnten bislang Tatverdächtige ermittelt werden.

Die Aufklärungsquote ist niedrig – und das Signal fatal: Wer Flüchtlingsheime beschädigt, bleibt in vielen Fällen unbehelligt. Wer gegen Menschen hetzt, findet in Kommentarspalten, Stammtischen und zunehmend auch Parlamenten Beifall.

Es geht nicht nur um Gewalt. Es geht um Einschüchterung. Um das Gefühl, dass Menschen nicht willkommen sind. Um den Versuch, gesellschaftlichen Ausschluss mit physischer Bedrohung zu untermauern.

Der politische Diskurs als Brandbeschleuniger

Natürlich: Gewalt beginnt nicht im Bundestag. Aber der Ton dort beeinflusst, was gesellschaftlich als sagbar – und als machbar – gilt.

Wer täglich von „Überfremdung“, „Asyltourismus“ oder „Remigration“ spricht, muss sich nicht wundern, wenn draußen Brandsätze fliegen. Und wer statt Widerspruch nur taktisches Schweigen liefert, macht sich mitschuldig.

Die Gewalt ist nicht losgelöst vom Diskurs. Sie folgt ihm. Und die Normalisierung der Sprache spiegelt sich in der Radikalisierung der Taten.

Und nun?

Die Gewalt gegen Geflüchtete ist kein Randphänomen mehr. Sie ist eine politische Realität, mit der sich Deutschland im Jahr 2025 konfrontiert sieht. Die Frage ist nicht nur, wie man Täter verfolgt – sondern auch, wie man verhindert, dass immer neue entstehen.

Dafür reicht es nicht, einmal im Jahr auf Pressekonferenzen Betroffenheit zu zeigen. Es braucht eine aktive, glaubwürdige Abgrenzung gegen rechte Narrative – und ein politisches Klima, das Schutzbedürftige nicht als Belastung behandelt.

Denn solange über Migration nur als Problem geredet wird, werden sich auch Menschen als Problem sehen, die schlicht nur leben wollen. In Sicherheit.

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