Die Faszination der Dividende
Es gibt kaum ein beruhigenderes Gefühl für Anleger als die regelmäßige Ausschüttung aufs Konto. Dividenden gelten als Belohnung für Geduld und als Beweis finanzieller Solidität. Gerade deutsche Anleger haben eine besondere Vorliebe für diese Art der Gewinnbeteiligung.
Doch Zahlen lügen nicht: Eine aktuelle Analyse stellt den Mythos infrage. Aktienrückkäufe, von vielen eher als technischer Eingriff wahrgenommen, schlagen die Dividendenstrategien im langfristigen Vergleich deutlich – und zwar mit klarem Abstand.
Rückkäufe: leiser Mechanismus, große Wirkung
Während Dividenden den Gewinn direkt an die Aktionäre weitergeben, reduziert ein Rückkaufprogramm die Zahl der im Umlauf befindlichen Aktien. Der Effekt: Der Gewinn verteilt sich auf weniger Papiere, jede einzelne Aktie wird rechnerisch wertvoller.
In der Theorie gilt: Beide Varianten sollten für Anleger gleichwertig sein. Doch die Praxis zeigt das Gegenteil.
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133 Prozent Rendite – Dividenden bleiben zurück
Die Untersuchung von HQ Trust vergleicht zwei Indizes: den S&P Global Dividend Aristocrats, bestehend aus Unternehmen mit stabilen Ausschüttungen, und den Nasdaq Global Buyback Achievers, der Firmen abbildet, die mindestens fünf Prozent ihrer Aktien zurückgekauft haben.
Das Ergebnis ist eindeutig: In den vergangenen zehn Jahren erzielten die Rückkäufer im Schnitt 10,5 Prozent Rendite pro Jahr. Die Dividendenzahler schafften lediglich 6,1 Prozent. Auf Sicht von zehn Jahren bedeutet das: 133 Prozent Kursplus gegenüber 75 Prozent.

Noch bemerkenswerter: Selbst der allseits geschätzte MSCI World – für viele das Basisinvestment schlechthin – blieb mit durchschnittlich 9,5 Prozent hinter den Rückkäufern zurück.
US-Konzerne treiben die Performance
Die Erklärung liegt weniger in der Mathematik der Rückkäufe als in der Zusammensetzung der Indizes. Amerikanische Unternehmen bevorzugen Rückkaufprogramme, nicht zuletzt aus steuerlichen Gründen. Entsprechend dominieren US-Konzerne den Rückkauf-Index mit einem Anteil von rund zwei Dritteln.
Und da die US-Börsen im letzten Jahrzehnt deutlich besser liefen als Europa, schlägt sich das direkt in der Wertentwicklung nieder. Die Dividendenindizes dagegen enthalten viele europäische Titel – und oft auch eher defensive Branchen wie Versorger oder Immobiliengesellschaften, die zuletzt hinterherhinkten.
Rendite hat ihren Preis: höhere Schwankungen
Der Renditevorsprung der Rückkäufer kommt jedoch nicht ohne Risiko. Die Volatilität des Rückkauf-Index liegt mit knapp 17 Prozent höher als beim Dividendenindex (knapp 15 Prozent). Wer also auf Buyback-ETFs setzt, muss bereit sein, stärkere Ausschläge nach oben und unten auszuhalten.
Dividendenstrategien bieten hier mehr Ruhe – und in Krisenzeiten oft eine überraschende Widerstandskraft. Historisch schneiden Dividenden in Rezessionen robuster ab, da Unternehmen versuchen, Kürzungen zu vermeiden, um ihr Vertrauen am Markt nicht zu verspielen.
So können Anleger investieren
Für beide Ansätze gibt es passende ETFs:
- SPDR S&P Global Dividend Aristocrats (WKN A1T8GD) für Dividendenstrategen
- Invesco Global Buyback Achievers (WKN A114UD) für Rückkauf-Anhänger
Beide Produkte sind weltweit diversifiziert, unterscheiden sich aber in Gewichtung, Branchenmix und eben in der langfristigen Performance.
Mehr Rendite oder mehr Schlaf?
Der Befund ist klar: Aktienrückkäufe haben Dividendenstrategien und sogar den MSCI World übertroffen. Doch der Preis dafür ist eine höhere Volatilität.
Die Wahl hängt am Ende vom Anlegertyp ab. Wer Wert auf psychologische Sicherheit legt, bleibt bei Dividenden. Wer Renditemaximierung sucht und Schwankungen aushalten kann, findet in Rückkauf-ETFs eine interessante Alternative.
Fest steht: Das alte Dogma, Dividenden seien der Königsweg, gerät ins Wanken. Die stille Macht der Rückkäufe spricht längst eine andere Sprache.
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