23. Juli, 2025

Wirtschaft

631 Milliarden Hoffnung – jetzt kommt der Aufschwung

Mit seiner Investitionsinitiative „Made for Germany“ will Kanzler Merz den Startschuss für den wirtschaftlichen Neustart setzen. Doch die Realität hinkt dem Optimismus hinterher – und wichtige Player bleiben außen vor.

631 Milliarden Hoffnung – jetzt kommt der Aufschwung
Friedrich Merz beim Investitionsgipfel in Berlin – der Kanzler will Zuversicht verbreiten. Die Wirtschaft bleibt skeptisch.

Ein Kanzler im Kampagnenmodus

Friedrich Merz liebt die große Geste. In Burghausen schnitt Bayerns Ministerpräsident Söder das Band für eine neue Produktionslinie von Wacker Chemie durch – 300 Millionen Euro Investition, 150 neue Jobs. Wenig später, zurück in Berlin, ruft der Kanzler zum Investitionsgipfel.

61 Unternehmen, 631 Milliarden Euro, ein Leuchtturmprojekt soll das nächste jagen. Die Botschaft: Deutschland investiert wieder. Die Frage: Stimmt das – oder ist das vor allem eine Inszenierung?

Phase zwei der Merz-Strategie

Im Kanzleramt hat man ein klares Drehbuch: Erst Reformen im Inland, dann das Bekenntnis der Wirtschaft, anschließend die große Werbeoffensive fürs Ausland. Der Gipfel in Berlin soll das zweite Kapitel einläuten – mit Siemens, der Deutschen Bank, Rheinmetall, Mercedes und (angeblich) auch Volkswagen.

Auf dem Papier klingt das überzeugend. In der Praxis bleibt vieles vage. Selbst der BDI – wichtigster Industrieverband des Landes – wurde nicht eingebunden. Und einige der angekündigten Milliarden-Investitionen waren ohnehin längst geplant.

Wirtschaftsrealität: Weniger Leuchtturm, mehr Nebel

Während Merz von Zuversicht spricht, korrigieren Branchen ihre Erwartungen nach unten. Die Chemieindustrie warnte vergangene Woche vor einem verfrühten Optimismus, die Stahlbranche meldete die niedrigste Produktion seit 2009.

Die Hoffnung auf einen Aufschwung noch 2025? Frühestens 2026, sagen Ökonomen. Die Arbeitslosigkeit steigt, und selbst das Institut der deutschen Wirtschaft rechnet nicht mit mehr als 0,3 % Wachstum für dieses Jahr.

Investitionen werden gebraucht – aber nicht als PR-Kulisse.

Die Chemieindustrie warnt: Ein echter Aufschwung ist frühestens 2026 zu erwarten. Die aktuellen Zahlen sprechen dagegen.

PR-Papier statt Programm

Ein interner Zwei-Seiter aus dem Kanzleramt soll belegen: Die Wende ist längst da. Man zählt durch: Wachstumsbooster verabschiedet, Körperschaftsteuer gesenkt, Sondervermögen angeschoben.

Doch viele Maßnahmen sind entweder nicht neu, nicht durchdacht oder nur halb wirksam. Die Stromsteuersenkung etwa – ursprünglich ein Kernversprechen – greift nicht flächendeckend. Die Wirtschaft merkt’s. Und schaut genau hin.

Made for Germany – oder Made for Schlagzeilen?

Was bleibt, ist ein gewaltiges Versprechen. 631 Milliarden Euro – das klingt nach Zukunft. Doch wie viel davon wirklich zusätzlich, wie viel nur umverpackt ist, bleibt unklar.

Auch der Begriff „Investition“ wird großzügig ausgelegt – von Forschungsausgaben über Standortmodernisierung bis zu vagen Absichtserklärungen internationaler Fonds. Dass BlackRock dabei ist, freut den Ex-Angestellten Merz, ändert aber wenig an der Skepsis vieler Mittelständler.

Ein Aufschwung lässt sich nicht herbeireden

Merz sieht den Umschwung bereits im Gange. Doch viele Wirtschaftslenker und Analysten bleiben vorsichtiger. Die Stimmung hat sich gebessert – das ifo-Geschäftsklima ist gestiegen –, doch die harte Realität am Arbeitsmarkt, in der Industrieproduktion und bei den Unternehmensaufträgen zeichnet ein anderes Bild.

Man könnte sagen: Der Kanzler verkauft Optimismus auf Pump. Der Preis: Vertrauen.

Einladung zur Debatte – ohne alle am Tisch

Dass zentrale Akteure wie der BDI beim Investitionsgipfel fehlten, wirft Fragen auf. Will Merz nur Zustimmung – oder echte Debatte? Denn viele Probleme des Standorts sind struktureller Natur: Fachkräftemangel, Energiepreise, Überregulierung. Daran ändert auch ein PR-Gipfel nichts.

Wenn Deutschland wirklich wieder investieren will, braucht es mehr als warme Worte und Kameras. Es braucht Planungssicherheit, weniger Bürokratie, belastbare Energiepreise – und einen echten Schulterschluss zwischen Regierung und Wirtschaft. Derzeit sieht es eher nach Soloshow aus.

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