Griechenland: Vom Sorgenkind zum Börsenliebling
Griechenland ist zurück – zumindest an der Börse. Der MSCI Greece Index hat seit Jahresbeginn über 45 Prozent zugelegt. Damit schlägt das Land nicht nur den DAX, sondern auch fast alle anderen globalen Märkte.
Was wie eine statistische Randnotiz klingt, ist tatsächlich Ausdruck eines grundlegenden Wandels: Die griechische Wirtschaft wird inzwischen wieder als tragfähig eingeschätzt. Die Renditeaufschläge auf Staatsanleihen sind gefallen, die Bonitätsnote hat sich verbessert.
Der Wendepunkt kam 2022, als der griechische Primärhaushalt – also ohne Zinszahlungen – erstmals wieder einen Überschuss auswies. Seither wächst das Vertrauen der internationalen Investoren.
Griechenland profitiert außerdem massiv vom EU-Wiederaufbaufonds: Rund 36 Milliarden Euro fließen bis 2027 ins Land – das entspricht einem Fünftel der Wirtschaftsleistung. Der Effekt auf Infrastruktur, Konsum und Beschäftigung ist spürbar.
Laut Fondsmanagern wie James Donald von Lazard und Malcolm Dorson von Global X ist Griechenland mittlerweile einer der spannendsten Märkte in Europa – mit hohem Wachstum, stabiler Regierung und Aktien, die trotz Kursanstieg unter Buchwert gehandelt werden.
Eine Rückkehr in den MSCI World Index ist mittelfristig möglich – und könnte zusätzlich Kapitalströme auslösen.
Polen: Stabil, unterschätzt und mit Rückenwind
Auch Polens Aktienmarkt läuft deutlich besser als viele erwarten. Der WIG 20 legte dieses Jahr rund 30 Prozent zu. Kein Ausreißer, sondern Ausdruck wirtschaftlicher Stärke: Die polnische Volkswirtschaft wuchs 2023 um 2,9 Prozent, für 2024 rechnet Scope mit 3,1 Prozent.

Private Nachfrage, ein robuster Arbeitsmarkt und starke Verflechtung mit der Eurozone machen das Land attraktiv – auch für Industrieunternehmen, die sich zunehmend von osteuropäischen Zulieferern unabhängiger machen wollen.
Polen erhält ebenfalls Mittel aus dem EU-Wiederaufbaufonds und investiert massiv in Digitalisierung, Verkehr und Energie. Die Kombination aus moderner Industrie, stabilen Staatsfinanzen und geopolitischem Pragmatismus bringt das Land in eine komfortable Lage – vor allem im Vergleich zu vielen westlichen Eurozonenstaaten. Analysten halten ein jährliches Wachstum von 2,6 Prozent bis 2030 für realistisch.
Für Anleger bedeutet das: Polen ist längst kein klassisches Schwellenland mehr – aber auch noch nicht voll im Fokus institutioneller Investoren. Genau dort liegt derzeit das Potenzial.
Südkorea: Politisch gelöst, wirtschaftlich entfesselt
Der südkoreanische KOSPI-Index ist ebenfalls um rund 30 Prozent gestiegen. Auslöser war nicht nur das Ende der politischen Lähmung nach dem Rücktritt von Präsident Yoon Suk-yeol, sondern vor allem die Ankündigung weitreichender Wirtschaftsreformen durch seinen Nachfolger Lee Jae-myung. Ziel: eine „KOSPI-5000-Ära“. Derzeit liegt der Index bei etwa 3200 Punkten.
Reformen bei Unternehmensführung, Marktzugang und steuerlichen Anreizen sollen Investitionen erleichtern und die Attraktivität des koreanischen Marktes steigern – vor allem für ausländische Anleger.
Bisher gelten koreanische Aktien trotz exzellenter Unternehmen (Samsung, Hyundai, LG) als unterbewertet, auch weil es Beschränkungen für ausländische Beteiligungen gibt. Deren schrittweise Lockerung könnte eine Neubewertung des gesamten Marktes auslösen.
J.P. Morgan sieht das Ziel von 5000 Punkten binnen zwei Jahren als erreichbar – vorausgesetzt, die Reformen werden konsequent umgesetzt. Für ETF-Investoren gibt es mehrere etablierte Produkte mit guter Liquidität – das macht Korea im Vergleich zu kleineren Märkten wie Vietnam deutlich einfacher bespielbar.
Vietnam: Boom ja, aber Vorsicht geboten
Vietnam ist der dynamischste Markt der vier – mit einem Kursplus von 40 Prozent seit Jahresbeginn. Doch anders als bei Griechenland oder Polen ist hier Vorsicht geboten: Der Aufschwung ist jung, rasant – und anfällig.

Seit Juli 2025 geht es besonders schnell nach oben, ausgelöst durch ein neues Handelsabkommen mit den USA. Der Deal sieht zwar 20 % Zoll auf Exporte vor, sorgt aber gleichzeitig für rechtliche Klarheit – und verankert Vietnam strategisch in der US-Handelspolitik. Wichtig: Die Vereinbarung erschwert künftig das „Umleiten“ chinesischer Ware über Vietnam – was ein Anreiz ist, Produktion direkt im Land aufzubauen.
Problematisch ist jedoch die enge Konzentration des vietnamesischen Aktienmarktes. Rund 90 Prozent der Indexgewinne gehen auf vier Titel zurück – alle gehören zur VinGroup.
Dazu kommt: Der ETF von Xtrackers auf den Vietnam-Index kommt trotz 40 % Indexplus nur auf rund 23 %. Grund ist der starke Wertverlust des vietnamesischen Dong gegenüber dem Euro – rund 10 Prozent seit Jahresbeginn – sowie Einschränkungen für ausländische Anleger, direkt in die wachstumsstärksten Aktien zu investieren.
ETFs: Chancenreich, aber selektiv
Insgesamt lässt sich sagen: Alle vier Länder bieten aktuell mehr Dynamik als etablierte Industrienationen – aber nicht jedes Risiko ist für jeden Anleger geeignet. Besonders kleinere Märkte wie Vietnam und Griechenland können volatil sein. Gleichzeitig können Wechselkursschwankungen – etwa bei Vietnam oder Südkorea – die Rendite merklich dämpfen.
Wer investieren will, sollte sich daher gezielt ETFs ansehen, die auf breitere Indizes setzen und dabei auf ausreichende Liquidität und niedrige Abweichung vom Index achten. In Griechenland etwa bietet der Lyxor MSCI Greece ETF (ISIN: FR0010688192) eine breite Abdeckung. Für Polen ist der iShares MSCI Poland ETF (ISIN: IE00B5V94311) etabliert, Südkorea lässt sich über den Xtrackers MSCI Korea 1C (ISIN: LU0292100047) abbilden.
Vietnam bleibt vorerst ein Markt für Mutige – nicht wegen der Konjunktur, sondern wegen der begrenzten ETF-Zugänglichkeit. Wer hier einsteigen möchte, sollte sich der Schwächen bewusst sein – und nicht zu große Beträge investieren.
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