Teurer als Sushi: Das Krabbenbrötchen wird zum Luxusartikel
Ein Brötchen, ein paar Salatblätter, eine Handvoll Nordseekrabben – das war einmal das kulinarische Versprechen eines schnellen, ehrlichen Küstensnacks.
Heute bekommt man dafür an Hamburgs Landungsbrücken bestenfalls ein Lächeln – und zahlt 15 Euro für das eigentliche Produkt. Willkommen im Zeitalter des Krabbenbrötchen-Indexes.
Wer sich diesen Frühling ein Brötchen mit Nordseekrabben gönnt, zahlt im schlimmsten Fall mehr als für ein Hauptgericht im Restaurant.
In Flensburg wird zum „Tagespreis“ kassiert, in Büsum sind es immerhin noch 8,50 Euro – aber Hamburgs Touristenattraktion „Brücke 10“ ruft mittlerweile 15 Euro pro Brötchen auf. Und nein, Champagner ist nicht inklusive.
Warum Krabben plötzlich so teuer sind
Was wie ein schlechter Marketinggag klingt, hat knallharte Gründe: Die Bestände an Nordseekrabben sind eingebrochen. Der Erzeugerpreis für ein Kilo Krabben mit Schale liegt derzeit bei 12 bis 13 Euro – über ein Drittel mehr als im Vorjahr.
Das schlägt direkt auf den Endverbraucher durch, denn Krabben sind ein sensibles Produkt: frisch, handverlesen, aufwendig geschält – und derzeit einfach zu selten.
„Wir bekommen nur die Hälfte der Liefermengen, die wir bestellen“, sagt ein Mitarbeiter der Hamburger Fischbude „Brücke 10“.
Und wenn weniger Ware reinkommt, müssen die Preise rauf. Klassisches Angebot-und-Nachfrage-Spiel – nur diesmal mitten im Fischereihafen.
Ein Fisch frisst das Geschäft
Was die Lage noch absurder macht: Die Krabben sind nicht nur wegen schwacher Fänge knapp – sondern weil ein kleiner Meeresbewohner ordentlich Appetit bekommen hat.
Der Blaue Wittling, ein unscheinbarer Verwandter des Kabeljaus, hat sich laut Experten „explosionsartig“ vermehrt. Und was steht auf seiner Speisekarte? Genau: Nordseekrabben.

„Auch der Wittling mag die Krabbe“, sagt Kai-Arne Schmidt, Geschäftsführer der Erzeugergemeinschaft der Deutschen Krabbenfischer. Die Folge: leere Netze, leere Lager, volle Preistafeln.
Auch die Windräder könnten mitmischen
Ein anderer Verdächtiger schwimmt unter der Oberfläche der Debatte: die Energiewende. Laut dem Fisch-Informationszentrum in Hamburg könnte auch der massive Ausbau von Offshore-Windparks Einfluss auf das Ökosystem Nordsee haben – inklusive Auswirkungen auf die Krabbenbestände. Konkrete wissenschaftliche Beweise dafür fehlen bisher, aber der Verdacht steht im Raum.
Klar ist: Die Nordsee ist kein Fischparadies mehr, sondern ein eng getakteter Raum zwischen Fischerei, Energieerzeugung und Umweltschutz. Und die Krabbe? Steht irgendwo dazwischen – oft genug am kürzeren Ende.
Fischer vor dem Aus – Brötchen vor dem Preisschock
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Bis 2014 landeten Deutschlands Krabbenfischer jährlich über 11.000 Tonnen an. Seit 2015 sind es oft nicht einmal mehr 7.000 Tonnen – Tendenz: weiter sinkend.
Bereits 2024 war die Situation angespannt, Restaurants strichen Krabben von der Karte oder verlangten Mondpreise. Jetzt wird es ernst.
Die Küstenflotten in Niedersachsen und Schleswig-Holstein schrumpfen. Immer mehr Kapitäne geben auf – das Geschäft lohnt sich nicht mehr. Wer bleiben will, muss teurer verkaufen. Und wer kaufen will, muss entweder zahlen – oder verzichten.
Küsten-Kulturgut unter Druck
Das Krabbenbrötchen war lange mehr als nur Fastfood – es war ein Stück norddeutsche Identität. Jetzt droht es, zur Luxusware zu werden. Während Matjes- und Bismarckbrötchen auf Rügen noch für unter 5 Euro zu haben sind, entwickelt sich das Krabbenbrötchen zur Preissensation.
Ob sich das ändert? Nur, wenn der nächste Winter bessere Fangquoten bringt, der Blaue Wittling zurückrudert – und die Nordsee mitspielt. Bis dahin bleibt nur eins: tief ins Portemonnaie greifen. Oder auf Matjes umsteigen.