Der Beschluss im Verteidigungsministerium
Berlin, Mittwochvormittag: Im Verteidigungsministerium billigt das Kabinett den Gesetzentwurf zur Wiedereinführung des Wehrdienstes. Nach der Sitzung tritt Boris Pistorius vor die Presse.
„Eine starke Armee ist das effektivste Mittel, um Kriege zu verhindern“, erklärt der SPD-Minister.
Sein Ziel: Die Bundeswehr soll wachsen – deutlich und schnell.
Bundeskanzler Friedrich Merz sekundiert. Sicherheit stehe für seine Regierung ganz oben auf der Agenda. Mit dem neuen Gesetz werde Deutschland „wieder zurück auf dem Weg zu einer Wehrdienstarmee“ geführt.
Freiwilligkeit – vorerst
Der Entwurf sieht zunächst einen freiwilligen Dienst vor. Junge Männer sollen für mindestens sechs Monate dienen können – bei deutlich besseren Bedingungen: 2.300 Euro netto, freie Unterkunft, volle Krankenversicherung. Erst wenn sich nicht genügend Rekruten finden, greift die Pflicht.
Geplant ist, dass alle 18-jährigen Männer wieder erfasst werden. Ab 2027 folgt eine verpflichtende Musterung. Pistorius spricht von einer pragmatischen Lösung: erst Anreiz, dann Zwang, wenn nötig.
Streit in der Koalition
Bis zuletzt war die Einigung zwischen SPD und Union fragil. Die Union wollte klare Zielvorgaben im Gesetz verankern, ab denen die Pflicht automatisch greift.
Die SPD setzte dagegen auf Vertrauen in die Freiwilligkeit. CDU-Außenminister Johann Wadephul legte sogar kurzfristig einen Ministervorbehalt ein – zog diesen nach internen Gesprächen aber wieder zurück.

Auch innerhalb der SPD gibt es Widerstand. Die Jusos werfen Pistorius vor, eine Parteitagsentscheidung ignoriert zu haben. Sie wollen einen rein freiwilligen Dienst – und warnen vor einem politischen Wortbruch.
Proteste auf der Straße
Die Auseinandersetzung beschränkt sich nicht auf Berlin. In Köln blockierten Aktivisten des Bündnisses „Rheinmetall entwaffnen“ das Karrierecenter der Bundeswehr.
Die Aktion markierte den Auftakt mehrtägiger Proteste gegen die Wehrpflicht. Symbolisch, aber laut: Die Bundeswehr registrierte keine Störung des Betriebs, politisch aber sorgt der Widerstand für Schlagzeilen.
Ambitionierte Pläne
Das Ziel des Gesetzes ist ehrgeizig: Bis 2029 sollen 100.000 neue Reservisten gewonnen werden. Dazu will die Bundeswehr ihre Truppenstärke in Abstimmung mit der Nato massiv erhöhen – von heute rund 180.000 auf 260.000 aktive Soldaten. Zusammen mit den Reservisten würde die Bundeswehr auf 460.000 Kräfte anwachsen.
Ob das realistisch ist, ist fraglich. Verteidigungsexperten verweisen auf den eklatanten Mangel an Ausbildern, Material und Infrastruktur. Schon heute scheitern viele Rekruten nicht an der Motivation, sondern an der Organisation.
Kritik aus der Opposition
Auch die Grünen scheren aus. Fraktionschefin Britta Haßelmann nennt den Beschluss „ideenlos“ und lehnt Zwang ausdrücklich ab. Stattdessen müsse die Bundeswehr attraktiver werden. „Zwang und Verpflichtung sind nicht der richtige Weg“, sagt sie.
Damit wächst der Druck auf Pistorius. Er betont zwar, das Parlament werde noch Änderungen am Entwurf vornehmen. Doch die Grundrichtung steht: Deutschland steuert auf die größte Wende seiner Sicherheitspolitik seit 2011 zu.
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